Gemeindehaus

Gestern waren’s noch ein paar Minuten. Jetzt, da ich schreibe, sind es bald dreiviertel Stunden. Die katholische Kirchturm-Uhr lässt sich Zeit. Hat sie sich mit unserem Geschäftsbericht, dem Thema Zeit, befasst? Oder ist sie neidisch auf ein Foto? Dieses zeigt, wie Messmer Hansruedi Bösch das Uhrwerk der evangelischen Turmuhr sorgsam pflegt. Ich bin froh über das friedliche Miteinander der Konfessionen. Dass ich aus dem Sitzungszimmer des Gemeinderats eben nicht die katholische, sondern die evangelische Kirchturm-Uhr im Visier habe, ist einfach ein guter Zufall. So kann ich auf die Uhr zu schauen ohne auf die Uhr zu schauen.

Die katholische Verspätung wird auch im entfernten Gemeindehaus bemerkt. Das höre ich ohne Grossraum-Büro: Eine Einwohnerin erkundigt sich, wie man ein Auto aus Deutschland importieren könne und weist netterweise auf das Zeitproblem hin. Nun, ich hoffe, dass Messmer Radislav Pilijc seine Kirchturm-Uhr bis am Sonntag in den Griff bekommt. Die Urnen schliessen um 10.45 Uhr – nach Gemeindehaus-Zeit.

Zitiert

Ein leerer Bildschirm. Das erste, das mir einfällt, ist Sokrates «Ich weiss, dass ich nichts weiss». Zum Gemeindehaus gibt es nichts mehr zu sagen. Wie sagte Albert Einstein? «Es ist schwieriger, eine Meinung zu zertrümmern als ein Atom.» Ob in diesem Thema «Mut am Anfang des Handelns steht und das Glück am Ende» (Zitat von Demokrit), das werden wir am 28. April etwa am Mittag nach dem Stimmenzählen wissen.

Blättert man lange genug in den Zitate-Sammlungen, stellt man fest, dass es wahrscheinlich zu jedem guten Spruch sinngemäss auch die gegenteilige Aussage gibt. Das Leben hat immer mehr Fälle, als der Gesetzgeber sich vorstellen kann (Norbert Blüm). Allerdings meinte der römische Senator Tacitus: «Früher litten wir an den Verbrechen, heute an den Gesetzen». Ganz interessant wird’s, wenn man in Zitaten nach Politik stöbert. Margaret Thatcher wird zitiert mit: «Wenn Sie etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn Sie etwas getan haben wollen, wenden Sie sich an eine Frau.» Ob das Bonmot von alt Bundesrat Hans Schaffner aus den 60-er Jahren dazu passt? Er hat gesagt: «Das ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist». Drum schliesse ich mit einer Frau, Marie von Ebner-Eschenbach: «Wer nichts weiss, muss alles glauben».

Was wollte ich?

Das Telefon läutet. Ein Blick aufs Display verrät, ob man den Anrufer kennt. Und so meldet sich manch einer mit einem «Hä?», ohne überhaupt noch «Grüezi» zu sagen oder sich mit Namen anzumelden. Mittlerweile sind wir einen Schritt weiter. Der Anrufer wartet weder auf das «Hä» noch auf einen Gruss. Er redet schnurstracks drauflos. Zeit ist Geld.

So grad kürzlich im Gemeindehaus wieder einmal erlebt. Was in einer lustigen Szene endete. Der Angerufene erkannte den Anrufer nicht. Ansatzlos war dessen Frage «Kannst Du mir schnell die Sozialhilfestatistik mailen?» Die Reaktion auf der anderen Seite war ein grosses Fragezeichen: «Entschuldigung, wer ist am Apparat? Da könnte ja jeder kommen.» Bis das Durcheinander entwirrt und geklärt war, wer wer ist, dauerte es. Jedenfalls länger als eine ordentliche telefonische «Anmeldung» oder ein kurzer Blick ins Büro.

20 m Fussmarsch zum Kollegen hat Filterfunktion. Zudem besteht die Chance, dass sich das Problem kurz vor der Tür mit der Frage an sich selbst erledigt: «Was wollte ich eigentlich?»

Frage

Sie kommt in Leserbriefen vor. In Post an die Gemeinde. An Versammlungen. Und ich geb’s zu. Sie macht mich säuerlich, die Standardfrage «Muss eigentlich immer zuerst etwas passieren, bevor jemand reagiert?»

Die Standard-Antwort ist «nein», logisch.

Wenn’s so einfach wäre. Wie oft hat man einfach Glück oder eben nicht? Darf man nicht auch erwarten, dass jeder selbst aufpasst? Ja, manchmal wird gehandelt, nachdem etwas passiert ist. Das bestätigt, dass man schon früher hätte können. Einer betroffenen Person eingestehen, dass man gesollt hätte – eine schwierige Aufgabe undunvermeidbar. Selbst bei bestem Bemühen.

Es fordert ja niemand, dass man jede Gefahr beseitigt. Auch will niemand vorsorglich vom Staat aus dem Verkehr gezogen werden,mehr zahlen als nötig, Umwege machen und auch nicht enteignet werden. Bis hierher sind sich alle einig. Bis es genau um diese eine Gefahr geht. Man hat’s ja kommen sehen. Man hat’s gesagt, sogar geschrieben, öffentlich. Manchmal frage ich mich, wie man als verantwortlicher Mensch nichts tun überhaupt verantworten kann. Selbst wenn’s sachlich richtig ist oder man keine Lösung hat. Statt sauer werden habe ich mich entschieden, mich zu freuen. Die Frage sagt ja auch, dass man dem Staat viel Positives zutraut.

Danke für die Frage.

Mord und Totschlag

Keine Bibliothek ohne Gesetz. Meint der Kantonsrat. Er wird drum am nächsten Montag ein neues Gesetz verabschieden.

Was ist eigentlich so spannend am Lesen? Oft ist es die Botschaft zwischen den Zeilen. Hier bietet die Entstehungsgeschichte des Bibliotheksgesetzes ein köstliches Beispiel: Regierungsrat Martin Klöti hätte jüngst das neue Gesetz als Vorsteher des Departements für Inneres im Parlament vertreten sollen. Hätte. Er aber weinte dem Vorschlag der Regierung keine Träne nach, wie er wörtlich sagte.

War Klöti’s Aussage ein schwerer Verstoss? Kantonsrat Werner Ritter führt parlamentarisches Geschütz ins Feld. Er reichte eine Interpellation ein. Titel «Gilt das Kollegialprinzip in der St.Galler Regierung noch?». Die Regierung gibt sybillinisch Antwort und rügt ihr Ratsmitglied nur zwischen den Zeilen. Ritter wird am Montag drum noch einmal einen Ausfall machen. Manchmal ist’s Politik wie in der Bibliothek. Dort gehören Mord und Totschlag auch zum Standard.

Narren am Werk

Räuber. Pirat. Prinzessin. Clown. Die Fasnächtler sind los, ausgelassen, bunt und laut. Heute war auch ich unterwegs, aber mit zwei Historikern, in Sachen Ortsbildschutz. Bei der Gelegenheit haben sie mir das Ventil Fasnacht geschichtlich erklärt und weshalb sich Bräuche örtlich unterscheiden, etwa in Wil und in Uzwil. Spannend, was Konfessionen, Aberglaube und Politik alles zustande gebracht haben.

Ich beneide die Wiler Stadtpräsidentin Susanne Hartmann: Zwar kaum im Amt, kann sie das Zepter schon den Narren abgeben. Als beliebte Zielscheibe braucht sie wohl ein dickes Fell. Dafür erfährt sie vom Körnchen Wahrheit, das in guten Scherzen steckt.

Das müssen sie früher einmal geschickt eingefädelt haben, die Wiler Narren, dass sie ihren Stadtpräsidenten aushebeln konnten und während der Fasnachts-Woche die Macht übernehmen. So einen Putsch gibt es in Uzwil nicht, ein eher ruhiges Pflaster. Soviel Aufregung ist nicht überall nötig. Nur: Sind hier dafür das ganze Jahr Narren am Werk? Da wäre mir mehr Fasnacht lieber!

Umziehen

Sie heissen Horscht, Tröddl, Gregor und Pam. Sie stehen in Reih und Glied auf einem Sockel. Und sie sind deutlich leistungsfähiger als Normale. Die Waschmaschinen im Seniorenzentrum Sonnmatt sind voll ausgelastet. Mit ihnen auch das Personal. In den letzten 5 Jahren haben Mensch und Maschine eine Tonne mehr Wäsche gewaschen, geschleudert, gebügelt, zusammen gelegt – jedes Jahr. Das geht nur mit klaren Strukturen. Drum haben auch Maschinen einen Namen. Für mich auch ein Ausdruck, dass Arbeit Freude machen kann.

Eine Tonne mehr Wäsche bei gleich vielen Menschen im Seniorenzentrum. Die gesellschaftlichen Veränderungen kommen auf leisen Sohlen. Wie sind die Ansprüche der Menschen, die übermorgen im Seniorenzentrum wohnen werden?

Umziehen fällt den Menschen offenbar immer leichter.

Verteilen

Richtig verteilen ist das Thema dieser Tage. Die Stimmung geht langsam Richtung Weihnachten. Noch pulsiert das öffentliche Leben, in den Gassen, an Marktständen, in den Läden, in den Restaurants und auch noch in den Sitzungszimmern. Es wird verabschiedet. Es wird begrüsst. Warm und herzlich.

Kurz vor Weihnachten hat der Gemeinderat verteilt. Nicht Geschenke, sondern Aufgaben. Alle Ratsmitglieder wissen, was sie in den nächsten 4 Jahren zu tun haben. Bis heute Abend stecken wir in der Geschäftswelt, wollen uns möglichst optimal organisieren. Mit möglichst wenig viel erreichen.

Das dreht nun. Drum sind die Festtage so schön. Sich etwas Überfluss gönnen. Auch wenn Geschenke verteilen noch viel anspruchsvoller ist. Gerecht sein gelingt selten.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr. Auf dass es uns gelingt gut einzuteilen. Damit wir verteilen können.

Vielleicht reichte Ihre Energie, um auch andere Menschen ins Verteilen einzubeziehen? Eine Möglichkeit ist die Markthalle. Eine Institution für armutsbetroffene Menschen in Uzwil. Sie befindet sich an der Birkenstrasse 26 in Uzwil, hinter dem Jugendtreff. Dort können Menschen Lebenswichtiges günstig erwerben. Früchte, Gemüse, Grundnahrungsmittel und mehr von Grossverteilern, abgelaufen, aber noch verbrauchsfähig. Haben Sie über die Festtage gut verteilt und trotzdem etwas Gutes «vörig»? Dann ist die Markthalle eine Möglichkeit. Wenn Sie etwas in die Schachtel im Vorraum des Haupteingangs der katholischen Kirche legen, kommts auch ans richtige Ort.

Schöne Festtage!

Immer Rot

Wenn’s eilt, ist’s rot. Auf die Logik einer Lichtsignal-Anlage ist Verlass. Auch am Ochsenplatz, auch im Zentrum Uzwil, auch an der Augarten-Kreuzung. Staatlich verordnete Pausen nerven. Jedenfalls mehr als jene, die von Mitmenschen erzwungen werden. Drum sind Kreisel beliebt. Ein Mitmensch bestimmt mein Tempo, nicht nüchterne Technik. Seine Rücksicht macht meine Fahrt flüssig. Ein weiterer Vorteil des Kreisels: Drängeln wird nicht mit einer Fotografie aus dem Blitzkasten abgestraft. Man muss auch nie einsam sinnlos warten. Habe mich auch schon beim Gedanken ertappt, wie man die Steuerung des Lichtsignals zu meinem Vorteil ändern könnte. Immerhin bedeutet mein Rot für andere Grün. Das scheint mir so aus der Distanz sogar sinnvoll, besonders wenn’s eilte.

Langsam pressiere

Kürzlich hörte ich im Gemeindehaus: «Jetzt müend mir langsam pressiere!» Wer solche Sätze mit dem Seziermesser zerlegt, muss sich die Haare raufen. Was jetzt? Langsam oder Vollgas? Für unseren Ratsschreiber war klar, er meinte «markante Beschleunigung». Nur, ist das plausibel? Wer kennt schon einen Beamten, der pressieren will? Sie kennen keinen? Es ist auch unmöglich, einen Beamten zu kennen. Der Beamtenstatus ist in Uzwil schon seit 10 Jahren, beim Kanton seit dem 1. Juni 2012 ausradiert. Gestrichen. Kommt im neuen Personalgesetz schlicht nicht mehr vor. Der Beamten-Witz wird bleiben. Zum Glück. Denn in ihm steckt auch die Botschaft, dass man vom Staat nicht alles erwarten kann. «Langsam pressiere» damit wir «schnell warten» können – wie bei den Weihnachtsgeschenken.