Geste

Wer lässt sich schon gern in seinem Fluss aufhalten, behindern? Man hat ein Ziel vor Augen und will es erreichen – also flott voran. Links oder rechts schauen behindert nur.

Am Beispiel der Fussgängerin mit den Kopfhörern im Ohr. Sie biegt unvermittelt ab, läuft straks über den Fussgängerstreifen, vertraut drauf, dass sie nicht „aufgeladen“ wird. Das finde ich ignorant, leichtsinnig und unverschämt. Nicht links oder rechts schauen bedeutet Verantwortung in unzulässiger Weise übertragen. Hier auf den Autofahrer.

Es geht auch anders. Und es braucht nicht viel. Eine kleine Geste kann Wunder wirken. Dazu möchte ich Sie ermuntern, wie kürzlich am Lindenkreisel erlebt. Eine Dame will über die Strasse. Sie weiss, dass sie den Morgen-Verkehr aufhält. Drum beschleunigt sie fast unmerklich. Der kleine „Hüpfer“, jeder nach seinen Möglichkeiten, macht den Unterschied. Diese kleine, freundliche Geste des Bemühens lässt einen gern halten, warten.

Das Lichtsignal im Uzwiler Zentrum wird Vollgrün. Ein Ort für freundliche Gesten.

Dialog

Der Abschied von Werner Dintheer sel, alt Schulratspräsident, und die Bürgerversammlung vom kommenden Montag führen meine Gedanken zum Thema Dialog und der Frage, was einen guten Dialog ausmacht. Ist es das Ringen um neue Ein- und Ansichten, auf das man sich mutig einlassen muss, die Bereitschaft zuzuhören und andere Meinungen zu integrieren? Ich habe viele gute Erinnerungen. Mit etwas zeitlichem Abstand gewinnen diese Beispiele eines ernsthaften Dialogs zusätzlich an Wert, seien es eine Klärung, eine Abstimmung oder ein Entscheid.

Lässt sich das schaffen, aus einem Dialog anders herauskommen als man hineingegangen ist, macht vieles Sinn – sei es ein Leben oder auch nur die Teilnahme an der Bürgerversammlung vom 27. November 2023.

Metapher

Wenn es um Organisationsfragen geht, werden gern Bilder zum Vergleich herangezogen, Metaphern benützt: das Schiff im Sturm, die schwere Bergtour und andere mehr. Meist sind diese ziemlich abgegriffen.

Über die Trennung von strategischen und operativen Aufgaben, Controlling und Prozesssteuerung wird jährlich Stoff produziert, der sich im Kreis dreht.

Dabei geht es doch um Menschen! Niemand ist wie die Andere, der Andere. Genau deshalb ist Organisation so interessant. Man weiss, es braucht sie, lieber wäre die totale Freiheit.

Der Schulrat soll durch ein neues Modell ersetzt werden. Und jetzt? Hilft die eigene Erfahrung in Organisationsfragen oder steht sie der Zukunft im Weg?

Zwischenruf

In einem Parlament wird strukturiert diskutiert. Dafür gibt es Instrumente wie den Auftrag an die Regierung, ein Gesetz zu schreiben, die ‚Motion. Oder den Auftrag, einen Bericht zu verfassen, das Postulat. Und es gibt den orchestrierten Zwischenruf, Interpellation genannt.

Interessant an der Interpellation: ein Parlamentarier stellt der Regierung Fragen, auch suggestive. Diese gibt an der nächsten Session schriftlich Antwort. Der Fragesteller bekommt 3 Minuten Zeit, vor versammeltem Plenum zu sagen, was er von der Antwort hält.

Und jetzt kommt, was ich so wertvoll fürs Zusammenleben finde. Gemäss Standardablauf stellt die Kantonsratspräsidentin je nach Votum fest: „Der Interpellant ist mit der Antwort nicht zufrieden (bzw. zufrieden). Die Interpellation ist erledigt. Wir kommen zum Geschäft Nr …“.

Was auf den ersten Blick erschreckt, ist heilsam. Das System stellt fest, dass jemand nicht zufrieden ist und geht weiter. Meinungen anhören ohne zu missionieren? Schwierig und wichtig!

Modell

Das Verhalten von Flüssigkeiten, in der Fachsprache auch Fluid genannt, ist schwierig vorherzusagen. Wo gibts Wellen, wieviel hat noch Platz, wann schwappts über?

Honig fliesst anders als Blut oder Wasser, anders in einem Rohr als offen, abhängig von Druck oder Scherkräften.

Die Fachwelt braucht zur Erklärung komplexer Modelle Vereinfachungen. Wenn der Experte von einem Hochwasser spricht, das alle 100 Jahre auftritt, bezeichnet er das als HQ100. Dahinter steckt ein Modell mit statischen und dynamischen Grössen, das etwas über das Verhalten von Fluiden sagen will.

Nur weil man einen Begriff wie HQ100 kennt, heisst das nicht, dass man das Modell verstanden hat. HQ100 ist schwer zu erfassen, weil Wahrscheinlichkeiten im Spiel sind. Hundert Jahre hat niemand im Gefühl und schon gar nicht in Zukunft.

Von Experten habe ich gehört, dass es inneralpin modellrelevant weniger, dafür heftiger regne als in den Voralpen. Und dass es zwischen Uzwil und Flawil markante Unterschiede gebe, mindestens in Bezug auf Wetter und Regen.

Fertig

Wann ist etwas fertig – ein Text, ein Werkstück, ein Bild? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ist das Ziel erreicht, die Zeit abgelaufen, der technische Prozess beendet oder sagt das Bauchgefühl „Schluss“?

Allerdings: Künstler haben schon Bilder übermalt, Schriftsteller fertige Bücher überarbeitet. Und ich war schon dabei, als aufwändige Handarbeiten aufgelassen wurden, Holzstücke geschreddert und dachte: uiuiui, soviel Arbeit.

Die innere Überzeugung gewinnen, dass etwas fertig sei, hat einen hohen Wert – Freudehaben, Nutzen- und Präsentierenkönnen. Kürzlich war ich in der Galerie am Gleis. Da hing ein grossformatiges Winterbild, eher mit grobem Pinsel zur Betrachtung aus der Distanz gemalt, eine Berglandschaft mit verschneitem Wald. Auf meine sinnierende Frage an C. H., einen anderen Besucher, wann die Malerin wohl gemerkt habe, dass sie fertig sei, meinte dieser trocken: Als der Frühling kam.

Schwelle

Man steht auf in der festen Absicht, x oder y zu erledigen. Und stellt auf halbem Weg fest: „Was wollte ich eigentlich?“ Dieses Erlebnis kennen alle. Offenbar steigt die Wahrscheinlichkeit des Vergessens mit der Zahl der überquerten Türschwellen. Das habe damit zu tun, dass das Hirn den Alltag in Episoden unterteilt. Immer, wenn man einen neuen Raum betritt, eine Schwelle überquert, beginnt eine neue Episode. Drum hilfts oft, wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dann fällt das ursprüngliche Ziel wieder ein.

Dieser psychologische Effekt könnte durchaus von Nutzen sein, auch wenn er zuerst ärgert. Gelegentlich lohnt es sich sowieso zum Ausgangspunkt zurückzukehren und zu prüfen, ob die ursprüngliche Absicht wirklich klug war. Und bestätigt sie sich, kann mit bestärkter Gewissheit das Ziel anvisieren.

Auf dem Weg zur Sitzung des Gemeinderats sind noch 3 Türschwellen zu überqueren.

Watt

Letztes Jahr haben wir uns um diese Zeit mit der Energiemangellage beschäftigt. Weniger heizen, Lampen ausschalten, öffentliche Anlagen zurückfahren. Heute scheinen sich die technischen Probleme in finanzielle verlagert zu haben. Jedenfalls scheint kaum plausibel, dass die Produktion so schnell erhöht werden konnte, in der Schweiz. Die Energiepreise explodieren trotzdem.

Auch der menschliche Körper produziert und braucht Strom. Das Gehirn nutzt diesen Strom, um mit dem Körper zu kommunizieren, braucht dafür etwa 20 Watt je Stunde – das ist doppelt soviel wie eine LED-Lampe. Auch das Herz wird durch elektrische Impulse am Schlagen gehalten, braucht dafür etwa 1,5 Watt je Stunde. Das ist sehr wenig. Bei den aktuellen Strompreisen von 33 Rp./kWh kostet das weniger als 1 Rappen in der Stunde. Fazit: Der Mensch für sich selbst wäre gegenüber Energie-Preiserhöhung recht robust. Nachdenken kostet besonders wenig.

Milch

Qualität ist das Ergebnis einer ganzen Kette. Am Beispiel des Rohmilchkäse wie Appenzeller, Sbrinz, Greyerzer oder Büffel-Mozzarella: Die Kette beginnt damit, dass der Landwirt sein qualitativ gutes Gras trocken einbringt. Es darf nicht gären. Drum kann er nicht zu jeder Zeit heuen und emden.

Dann muss er seine Kühe gesundhalten. Antibiotika in der Rohmilch killt den Käserei-Prozess. Die Melkanlage muss stets tadellos sauber sein. Auch auf dem Transport und in der Käserei dürfen keine Keime das Rohprodukt verunreinigen, sonst ist eine ganze Charge im Eimer, auch die der anderen Produzenten.

Milch von Kühen, die mit vergorenem Futter aus dem Silo oder Ballen gefüttert wurden, muss erhitzt werden, damit sie keimarm ist. Ein kleiner Unterschied, der die Tierhaltung, die Futterproduktion und die industrielle Verarbeitung von Milchprodukten beeinflusst.

Was viele zusammen gut machen müssen, ist schwer zu kopieren. Und: Was wir essen wirkt auf die Qualität der Landschaft.

Landschaft

Peilt man vom Vogelsberg oder nur schon vom Uzwiler Bahnhof aus über die Landschaft, sieht man: Bichwil, Flawil, Niederwil, Niederhelfenschwil, Zuzwil – alles etwa auf der selben Höhe. Man erkennt die ehemals vom Gletscher in der Landschaft grob geschaffene Ebene, in welche sich später die Flüsse wie die Thur oder die Glatt eingekerbt haben – riesige Kräfte. Der Gletscher soll in Uzwil um tausend Meter ‚dick‘ gewesen sein.

Über die Jahrtausende hat sich Wald über das nackte Gestein gelegt. Was wir heute als freie Fläche, grüne Wiese, kultiviertes Land erkennen, wurde über Generationen urbar gemacht, gerodet, Wurzelstöcke und Steinbrocken mühselig ausgegraben. Was so schön topfeben scheint, war mit grosser Wahrscheinlichkeit zuerst ein See und dann ein Sumpf, der trockengelegt wurde.

Man kann unsere Landschaft besser und präziser als ich erklären. Das Interesse, warum etwas ist, wie es ist, sollte in uns selbst und als Gesellschaft lebendig sein, besonders dort, wo wir regelmässig hinschauen ohne zu fragen.