Gepflanzt

Uzwil blüht. Das Pflanzprojekt im Zentrum läuft über Erwarten gut. Die Palettrahmen mit Blumen und Gemüse sind ein Versuch, weniger ein gärtnerischer als ein gesellschaftlicher. Und sie machen Freude. Das erste Echo ist überaus positiv.
 
Das führt mich zum Thema Gedeihen lassen. Von zu Hause habe ich: ‚Wenn Du einen Samen einpflanzt, darfst Du ihn nicht immer wieder ausgraben um nachzusehen, ob er keimt. Du musst einer Sache, einem Gedanken auch etwas Zeit geben. Er muss an die Oberfläche kommen können und gedeihen.‘ 
 
Eine grosse Sorge des Pflanzprojekts ist das Thema Vandalismus. Und bisher zu Unrecht: unsere Gärtnerinnen und Gärtner sind selbst erstaunt, wie sorgfältig die Menschen mit Blumen und Gemüse umgehen. 
 
Nicht ausgraben, gedeihen lassen, dann ernten.

Grat

Der Grat fürs menschliche Leben auf unserem Planeten ist schmal. Die untere Grenze für die menschliche Körpertemperatur liegt etwa bei 28 Grad. Dann hören Puls und Atmung auf, auch das Zittern. Ohne medizinische Soforthilfe ist dann Schluss. Bei Fieber über 41 Grad wirds ebenfalls kritisch. Enzyme verlieren ihre Struktur, Blutproteine beginnen zu gerinnen. Das Temperaturzentrum im Hirn wird gestört, es gibt keine wirksame Kühlung mehr durch Schwitzen.

Die Bandbreite für unsere Existenz liegt also bei weniger als 14 Grad Celsius. Natürlich können wir uns schützen und drum sowohl die Antarktis als auch die Sahara durchqueren. Dennoch, der Grat bleibt schmal. Die Durchschnittstemperatur im Weltall liege bei minus 270 Grad Celsius. Allein bei solchen Überlegungen kann einem heiss werden.

Wiese

Von „der grünen Wiese“ träumen Viele. Ohne Vorgaben, ohne Hindernisse, ohne Regeln, ohne Vorgeschichte und Altlasten einfach machen können – das wäre schön.

Da war einmal ein grosses Bauprojekt, von überregionaler Bedeutung, grossteils auf der grünen Wiese. Natürlich mit umfangreichen ökologischen Ausgleichsmassnahmen, wie das Kundschaft und Gesetzgeber verlangen.

Jahre später sind die Weiher verlandet, Hecken verarmt, Fauna und Flora gefährdet. Ohne Unterhalt sind auch grosse Erst-Investitionen wert- und nutzlos. Jetzt soll die Gemeinde einspringen. Soll sie?

Es hilft, wenn man weiss, wie der Vorgänger tickte. Ohne nachzusehen war ich mir sicher: Werner Walser sel. hat das geregelt. Und siehe, es gibt einen Dienstbarkeitsvertrag, mit umfassender Unterhaltspflicht zu Lasten des Investors.

Nur eine grüne Wiese genügt nicht.

Nicht

Als Gemeindepräsident werden mir immer wieder Situationen geschenkt, über die sich nachzudenken lohnt.

In zwanzig Minuten, halber Stunde einen Gedanken beleuchten – das gelingt mir nur, wenn ich einen nehme und ihn nicht mehr loslasse. Sobald ich beim Schreiben das Thema wechsle, herumhüpfe, wirds schwierig, inhaltlich und mit dem Timing.

Was nie funktioniert, sind Tipps im Sinn von ‚schreib doch mal über’ – nicht weil die Tipps schlecht wären, sondern weil der innere Bezug fehlt, ums auf den Punkt zu bringen.

Ich habe eine Liste von Themen, die zwar beschäftigen und interessant wären, aber nicht hierher gehören. Und so überlasse ich Ihrer Fantasie, worüber ein Gemeindepräsident schreiben könnte, aber nicht sollte. Oder es besser nicht getan hätte.

OL

Was ist wo? Den eigenen Standort kennen, die Himmelsrichtungen, Ortschaften in der Umgebung, besondere Merkmale im Gelände, Distanzen und Wege – das sind hilfreiche Informationen, ja sogar Voraussetzung, um sich zu orientieren.

Es ist faszinierend, wie OL-Läuferinnen und -Läufer mit einem einzigen Blick auf die Karte all diese informationen erfassen und sortieren. Und selbst rennend im hohen Tempo und ebensolchem Puls haben sie den Überblick, finden den besten Weg. An der Schweizermeisterschaft am letzten Wochenende hat mich beeindruckt, dass sich die Wettkämpfer kaum vom Verhalten der Mitbewerber haben ablenken lassen. Und das, obwohl viele Menschen gleichzeitig unterwegs waren: Kein Herdentrieb, selbst orientieren.

Am Montag ist Bürgerversammlung. Start ist um 20 Uhr im Grmeindesaal. Der Geschäftsbericht ist quasi die OL-Karte. Er enthält alle wichtigen Informationen. Auf dass wir alle Posten in der richtigen Reihenfolge und am Schluss ins Ziel finden.

Fleck

Schon wieder ein Saucen-Spritzer auf dem weissen Hemd. Bei aller Sorgfalt gibts diese Malheurs. Vorzugsweise am Mittag, wenn man fern von frischen Kleidern ist. Gefährlich sind beispielsweise Holzspiesschen, von denen sich Fleisch oder Gemüse schlecht lösen lässt. Ein weiterer Klassiker ist, wenn ein Happen von der Gabel just in den kleinen ‚See‘ im Teller fällt. In seltenen Fällen erwischts peinlicherweise das Gegenüber.

Es gibt allerhand Fleck-weg-Strategien. Mit Serviette und Mineralwasser tupfen, nicht reiben. Es gibt chemische Wundermittel. Man kann das Jacket höher zuknöpfen, ein Gillet oder einen Pulli drüberanziehen. Im Notfall muss man halt ein Ersatzhemd posten.

Vor der Erfindung der Waschmaschine war die Gesellschaft wahrscheinlich etwas grosszügiger in der Beurteilung der Frage, was als Fleck gilt. Makellos sein, ist heute Volkssport. Bei aller Strenge zu sich selbst und anderen: der blinde Fleck wird bleiben.

Frage

„Es gibt keine dummen Fragen, nur ebensolche Antworten!“ Dieser Satz hatte lange seine Berechtigung. Er sollte jedoch kritisch überdacht werden.

Heutzutage kann man frisch und frech drauflosfragen, ohne sich selbst den geringsten Gedanken zu machen. Google hat mit seiner Eingabezeile die Hürde, Fragen zu stellen, tief herabgesetzt: Schnell eintippen statt 5 Sekunden studieren. Auch in Gruppen wird eher eine Suchmaschine gefragt als diskutiert. „Schau doch schnell nach.“

Weil es so einfach geworden ist, Fragen zu stellen, weil keine Hemmschwelle, keine Hürde mehr überwunden werden muss, hat, so meine These, auch die Antwort an Wert verloren. Man muss sich nichts merken, kann ja wieder fragen.

Ein Indiz für den Wertverlust der Antwort ist, dass künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile Vorschläge macht, wie man seine Frage ergänzen oder optimieren könnte. Vielleicht ist das drum allgemein akzeptiert, weil sie es freundlich und unaufällig macht, noch. Stellen Sie sich vor, jemand würde Ihnen sagen: „Denken Sie zuerst über Ihre Frage nach!“

Feld

Kreuzworträtsel gehören zu beliebsten Rubriken in der Medienlandschaft. Böse Zungen behaupten, dass viele Zeitungen nur deswegen gekauft würden. Weshalb wohl? Wahrscheinlich, weil andere Sparten die Stimmung nicht grad heben, angefangen vom Tod des Papsts Franziskus über die Kriegsmeldungen, die Börsenkurse, den Finanzausgleich bis zu den jüngsten Fussballnachrichten. Und das, obwohl Kreuzworträtsel eine Interaktion erfordern, eine Art Test-Situation darstellen. Wer sich der Aufgabe stellt, kann nicht nur konsumieren, sondern muss präzis liefern.

Und man staunt schon, was erfahrene Kreuzworträtslerinnen alles wissen: abgelegene Südseeinseln, Grüezi auf japanisch, Namen von fluroreszierenden Fischen, niederländische Könige, ägyptische Währung, Bootsformen, Algebra und Vulkane aller Art.

Was man vom Kreuzworträtseln zusätzlich lernen kann: Egal, was die Frage ist. Hauptsache, die Antwort passt ins Feld.

Fressen

Auf Exkursion mit dem Natur- und Vogelschutzverein Uzwil in der ehemaligen Kiesgrube Hori ob Jonschwil. Biologe E. B. hat grad sein Studium abgeschlossen. Beeindruckend, wie er gleichzeitig reden und hören kann: die Überlebensstrategie der Gelbbauchunke erklären und gleichzeitig Vogelstimmen identifizieren. Mit dieser Fähigkeit ist er der Politik weit voraus.

Überhaupt liesse sich von und in der Natur noch viel lernen. Etwa, wie Balance hergestellt wird und was passiert, wenn diese gestört ist. Oder wie es Pflanzen schaffen, Stickstoff aus der Luft zu gewinnen und sich so auf Steinen anzusiedeln. Interessant auch, wie Lebewesen auf das Konzept von Fressen und Gefressen reagieren. Die Gelbbauchunke legt sich auf den Rücken, wenn Gefahr droht. Die Fuchsmutter tarnt ihren Bau. Das Grasfrosch-Weibchen legt 2 000 Eier, auf dass 2 gross werden.

Fressen und Gefressen werden: Wie gross der Unterschied doch ist, ob man als Mensch nur beobachtet oder sich als Teil dieses Konzepts fühlt.

PS: Wer gern Analogien zum Weltgeschehen hat: Tollwut ist sehr selten, wenn aber heftig.

Vertrauen

Abwasserreinigungsanlage, Bauprojekt. Fachleute präsentieren dem Verwaltungsrat im Halbstundentakt ihre Konzepte: Verfahren, Steuerung, Biologie, Bauphysik, Stromversorgung, Pumpen, Sicherheit, Rechen, Druckluft, Architektur, Statik und weitere mehr. Ein komplexes Vorhaben.

Ich stelle an diesem Beispiel fest: es gibt im Leben immer wieder Situationen, in denen man Menschen vertrauen muss.

Wenn ich heute Abend zu Hause wiedergeben müsste, was ich alles gehört habe, wäre ich glatt überfordert.

Wo zeigt sich Vertrauen? In der Differenz zwischen dem Verstandenen und dem Unverstandenen.