Bonbon

Plötzlich sind da kleine Hände auf dem Tresen. Niemand zu sehen. «Kann ich nochmals einen Bonbon haben?», fragt es aus dem Untergrund. Die Dame am Empfang des «Blauen Engels» entdeckt ihre Kunden erst, als sie sich über die Theke beugt. Die Kinder vom Chinderhus Rägeboge waren vorübergehend im Business House zu Gast. Zum Mittagessen. Bis das Haus Schöntal fertig umgebaut war. Tempi passati. Der Geschäftsbericht mit dem Voranschlag 2015 wurde grad verteilt. Mit dem Bild wie die Kinder um 12:16 Uhr brav essen. Das Bild ist heute veraltet. Und trotzdem wirkt es nach. Weil es einen Schritt auf dem Weg zu etwas Dauerhafterem zeigt. Mehr als der Schnappschuss aus dem Blauen Engel freut mich, dass sich der Verein Chinderhus Rägeboge in Bühler’s Haus Schöntal einquartieren konnte. Neues Leben zieht ins Haus. Damit Familie und Wirtschaft funktionieren. Und das ist wirklich kein Zuckerschlecken.

Singen und pfeifen

So ein modernes Bahnhof-WC kostet ein Vermögen. Dafür kann es sozusagen singen und pfeifen. Schade, dass es bald Gebrauchsspuren geben wird. Drum brauchts intensive Reinigung. Die Konstruktion erleichtert diese. Der Techniker hat bei der Inbetriebnahme ein paar Müsterchen erzählt. Unglaublich, auf welche Ideen Menschen kommen und was diese in einer Toilettenanlage anstellen. Dieser Kreativität begegnet man mit 2,5 Millimeter Chromstahl. Verkratzen ja, verbeulen nein. Wenn man diese Kreativität in brauchbare Energie ummünzen könnte? Unsere Gesellschaft würde Fortschritte in Sieben-Meilen-Stiefeln machen. So müssen vorerst halt die Konstrukteure von Toilettenanlagen kreativ sein. Deren Kreativität orientiert sich am Benutzerverhalten, den menschlichen Bedürfnissen und den häufigsten Missgeschicken. Auf der Rückseite der Toilettenanlage verbirgt sich einiges. Der Vorrat an Toilettenpapier ist beispielsweise clever gelöst. Auch die Lüftung, der Seifenspender oder die Türsteuerung, alles programmierbar.

Schmunzeln musste ich über den speziellen «Rettungsstutzen» am Abflussrohr zur Kanalisation: Sie wären nicht der erste Mensch, der sein Handy aus Versehen in der Schüssel versenkt und runtergespült hat. Der Techniker könnte Ihr Handy retten. Ob es danach auch noch singen und pfeifen kann, ist eine andere Frage.

Schwarz sehen

Die Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren, sprich die Billag, will den Gemeinden an den Kragen. Radio hören und Fernsehen soll auch die Gemeinde kosten. Für den Werkhof, für die ARA, das Schulsekretariat, die Sozialen Dienste und für die Schul- und Gemeindehäuser. Ist ja unglaublich. Radio hören während der Arbeitszeit? Ist hier ohnehin nicht erlaubt. Und zum Fernsehen ist’s zu ungemütlich, zudem fehlen Bier und Chips. Schwarz sehen werde drakonisch bestraft. Tja, was also tun?

So viel eidgenössische Reglierungswut ruft nach kreativen Lösungsansätzen. Ob uns die Badi mehr als rettende Kühlung bringen könnte? Man könnte in den Eintrittspreis gleich die Billag-Gebühr einschliessen und käme so zu Mengenrabatt. Schliesslich waren in diesen Tagen bis zu 3000 Menschen dort. Ein anderer Ansatz: Bei entsprechendem Wind hört man den Badi-Lautsprecher viel zu weit herum. Diese Schwäche liesse sich nutzen. Man könnte von der Badi aus das Gemeindegebiet grossflächig beschallen. Sie müssten kein Radiogerät mehr zu Hause haben. Über die Wahl des Senders könnte man an der Bürgerversammlung abstimmen. Und zum Fernsehen könnte man wie früher ins Kino zur Wochenschau. Sie merken, die Ideen werden nicht mehr besser. In Bern nicht. Im Gemeindehaus nicht. Kein Wunder, wenn bei dieser Hitze jemand schwarz sieht.

Beschränkt

«Hast heute für die Kolumne nur beschränkt Platz: 1 000 Zeichen», schreibt mir Zita Meienhofer. Hoppla. Droht Zensur oder wollte die Redaktorin der Wilerzeitung bloss den Schwierigkeitsgrad erhöhen? Schliesslich ist dichter anspruchsvoller. Insofern unterscheidet sich diese Textspalte nicht vom neuen Genuss-Markt, der heute im Uzwiler Zentrum startet: beste Lage, aber nur beschränkt Platz. Auf dem Markt wie in diesen Texten will die Kundschaft lokale und regionale Qualität finden. Saisonal angepasst, aktuell, immer wieder neu und vor allem überschaubar. Auch im Ziel sind sich Marktfahrer und Gemeindepräsident sehr ähnlich. Nämlich etwas so anzubieten, auf dass Sie am Freitag Morgen wieder kommen. Wie vorteilhaft es doch sein kann, wenn man beschränkt ist.

PS: Sind das mehr als 1000 Zeichen?

Kalte Füsse

Zwanzig Zentimeter mehr und Fraefel’s in der Rifenau hätten nasse Füsse bekommen. So knapp stand das Wasser der Thur unter ihrem Stubenboden. Glück gehabt. Glück gehabt hat unsere Badi. Ohne Hochwasser-Entlastung in den Uze-Stollen hätte der Hummelbach die Badi glattwegs geflutet. Dann hätten Ricklin’s, unser neues Wirtepaar in der Badi und die Badmeister noch länger auf Gäste warten müssen.

Kaum erwarten konnte es auch unsere Jugend. Die sprang schon vom Fünfmeter und probierte die neuen Liegestühle aus. Die Liegestühle sind eigentlich für die Generation gedacht, die nicht mehr so gern am Boden liegt. Nun, manchmal ist die Welt eben verkehrt. Denn der «härteste» Badi-Besucher ist wahrscheinlich Markus Sutter, bald 70-jährig. Er kommt bei jedem Wetter, seit die Badi offen ist. Jeden Tag. Mit dem Velo von Algetshausen. Das Problem, sagte er mir, sei nicht das Wasser. Weniger als einen Kilometer schwimme er nie. Man müsse einfach ein bisschen auf die Zähne beissen. Schlimmer sei, wenn die Luft nur grad 7 Grad habe, wenn er aus dem Bad steige.

Nun, gestern habe ich’s ausprobiert und die Füsse ins Badi-Wasser gesteckt. Ein Gemeindepräsident mit kalten Füssen? Das kann ich mir nicht leisten. Drum schwimm ich morgen meinen ersten Kilometer.

Urtrieb

Wenn die Rega landet, ist etwas los. Da fallen schon mal Geranienkistchen runter und Kinderwagen um. Rega-Mann Patrick Sieber erklärte kürzlich den Uzwiler Feuerwehr-Mannen und –Frauen, wie man einen Helikopter richtig auf einen Unfallplatz einweist. Den Mund halte man automatisch, wenn ein Helikopter im Schnee lande. Ein Sandplatz werde vom Heli sozusagen «geleert». Herumfliegendes Kies tue weh und beschädige Autos und Fensterscheiben. Jacke und Helm könne man vor dem Anflug des Helis noch schliessen. Ein Streichholz sei einfach zu wenig, um den Schadenplatz auszuleuchten, auch für Nachtsichtgeräte. Der Landeplatz sollte auch eine gute Distanz zum Patienten haben. Die Rega ist zwar theoretisch in 15 Minuten überall in der Schweiz. Aber nicht bei Nebel und nachts auch nur sehr eingeschränkt. Die Rega ersetzt drum die Mutter der Porzellankiste nicht. Trotz ausgezeichneten Piloten und gutem Fluggerät: nur im Fernsehen kann man mit einem Helikopter durch einen Tunnel oder in ein Parkhaus fliegen. Ein Urtrieb wird wohl für Rega und Feuerwehr eine ewige Herausforderung bleiben: «Alle Affen gaffen.»

Ausschnitt

Fussballspieler, Autoverkäufer, Politiker. Niemand geniesse weniger Vertrauen, steht in der Zeitung. Das Tagblatt hat zwar nur bei Reader Digest abgeschrieben. Trotzdem ist das nicht sehr motivierend. Wenn Fritz Studli im Zusammenhang mit der Strategie des Gemeinderats dann noch von Absichtserklärungsprosa schreibt und Brecht zitiert, dann ist der Gemeindepräsident auf dem Tiefpunkt. Was wiederum motiviert, weil’s nur noch aufwärts gehen kann. Und es geht aufwärts.

Die Jugend macht vorwärts. Das haben mir Samuel Schenk und Fabrice Jud bewiesen, beides Primarschüler in Henau. Sie haben mir heute Morgen im Schulhaus knallharte Fragen gestellt: Muss der Bahnhof Algetshausen wirklich geschlossen werden? Was nützt Ihnen das neue Gemeindehaus?

Sie haben mir ein richtiges Radio-Reporter-Mikrophon hingehalten. Perfekt vorbereitet von ihrer Lehrerin Sandra Wilhelm. Schliesslich ist sie auch Radio-Profi bei FM1. Das gespeicherte Interview, die Datei, haben die Schüler mir nichts dir nichts in eine Spezial-Software importiert. «Sehen Sie, jetzt schneide ich meine Frage heraus», sagt’s und schon hat Samuel Schenk sich selbst aus dem Gespräch rausgeschnitten.

Wie die Schülerinnen und Schüler an ihrem Radioprojekt gearbeitet haben, hat mich begeistert. Samuel Schenk hat mir gezeigt, wie es geht: ich schneide für mich die ersten Sätze dieses Textes auch einfach wieder raus

Tiefsee

Den richtigen Draht finden, das ist eine tägliche Herausforderung. Denn Verbindung ist alles. So auch unter den Gemeinde-Häusern. Uzwil ist immer wieder auf kreative Lösungen angewiesen. Diese entstehen nicht nur im Gemeindehaus. Sie sollen dort aber ankommen.

Der Gemeinderat hat sich mit der Strategie für die nächsten Jahre befasst. Und er wird das immer wieder tun. Schliesslich ist das seine Kernaufgabe: Vorausdenken, in Szenarien, in grossen Zügen. Und manchmal gibt es ganz banale Lösungen. Eine, die bereits vor Jahren umgesetzt wurde, hat mich neugierig gemacht: Tiefsee-Kabel, wie sie in Weltmeeren verwendet werden! Haben Sie‘s gewusst? Uzwil’s Verwaltungsstandorte sind heute mit einem Tiefsee-Kabel verbunden. Darin eingewickelt ist eine schnelle Glasfaser-Leitung für die EDV.

Uzwil lag zur Eiszeit einmal an einem Meer. Höhe Augarten war etwa der prähistorische Strand. Nun, Uzwil’s Tiefsee-Kabel liegt nicht im Meer, sondern ist in der Kanalisation aufgehängt. Musste dort mühsam von einem unentwegten Monteur befestigt werden.

Den richtigen Draht finden ist entscheidend. Und Sie denken sich: Was ist der grössere Mist, der in der Kanalisation transportiert wird?

Wald

Vor 30 Jahren in der Sekundarschule gelernt: Der Wald verwandelt CO2 in Sauerstoff. Das fand ich sehr sympathisch, fühlte mich dem Baum freundschaftlich verbunden. Er macht aus meiner Abluft Frischluft. Und so sorgte mich auch die CO2-Debatte nicht sonderlich. Mehr CO2? Dann produziert der Wald einfach mehr Sauerstoff. Spriesst schneller. Dachte ich, bis ich auf einen Kran im Wald traf.Die Uni Basel zerstörte meine naive Gleichung auf einer Wanderung im solothurnischen Hofstetten. Wissenschaftler betreiben dort eine Versuchsanlage. Sie haben mitten im Wald einen Bau-Kran aufgestellt, Schläuche dran gehängt und verteilen so zusätzlich CO2 im Wald. Ergebnis der Messungen: CO2 ist kein Doping für die Natur, der Wald wächst nicht schneller.

Leider sind einfache Rezepte selten die Lösung. Für sich allein nützt nichts. Weder ein Energiekonzept, noch ein gestaltetes Zentrum, noch ein Ortsbus, noch ein tiefer Steuerfuss, noch eine Gratis-Grünabfuhr, noch Alterswohnungen. Der Gemeinderat arbeitet an der Strategie, genau an diesen Zusammenhängen. Am orchestrierten Zusammenspiel von Bausteinen. An der Vernetzung von Wirkungen. Trotzdem: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie weiterhin Ihren Arzt oder Apotheker…

Brett

Sie stehen im Weg. Sie machen eng und dicht, hindern den Fluss und sind ein öffentlichen Ärgernis. Sie warnen und ergänzen jedes Jahr das Grün des Frühlings. Ich rede von den rot-weissen Brettern, den Baulatten. Jetzt grad an der Bahnhofstrasse, nächstens an der Marktstrasse und am Bahnhof. Die Baulatten werden übrigens von Menschen, die bei Business House arbeiten, also im Projekt «Arbeit statt Sozialhilfe» sind, im Akkord bemalt. Sicherheit für andere. Auch für Sie!

Arbeiten an der Strasse ist gefährlich. Achten Sie bitte auf unsere Leute und jene der Tiefbauunternehmen! Die Männer in orange oder leuchtgelb haben keine Knautschzone. Umgekehrt rate ich auch Ihnen zur Vorsicht: Der Mann im Bagger ist am längeren Hebel. Gerade gestern habe ich Baggerführer Andi Röder von Toldo gefragt, wie er dafür sorge, dass er nie auf die falsche Seite schwenke. Schliesslich fahren die Autos vertrauensvoll in hohem Tempo an seiner Schaufel vorbei. Ausbildung, Vorsicht, und Erfahrung seien die Rezepte. Besonders schwierig werde es allerdings, wenn Autofahrer auf der falschen und damit unerwarteten Strassenseite an der Baustelle vorbei fahren.

Da frage ich mich, ob man das Brett vor dem Kopf auch rot-weiss streichen müsste.