Kredit

In einem Gespräch erfahre ich, dass ein junger Mann für sein Berufsziel gespart hat. Jahrelang jeden Rappen auf die Seite gelegt. Und doch reicht es nicht, um seine Ausbildung in Angriff zu nehmen. Es fehlen ihm etwa 7 000 Franken. Zufällig trifft er einen Unternehmer, Mitte 30. Dieser nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche, streckt das fehlende Geld und das Theoriematerial vor, zinslos.

Der junge Mann besteht in Theorie und Praxis und zahlt in Raten zurück, dank besserem Job in kurzer Zeit. Dieser sei zwar streng mit unregelmässigen Arbeitszeiten, zu Hauptverkehrszeiten hektisch und gefährlich, mache aber Freude.

Ich fragte den Unternehmer, weshalb er das machte. Eine Baucheinschätzung sei das gewesen. Anständiger junger Mann, mit Leistungswille, umsichtig, freundlich, nicht ungeschickt.

So geht die Geschichte eines einstigen Asylbewerbers, der mittlerweile kurz vor der Einbürgerung steht. Wahrscheinlich brauchen wir alle im Leben einmal jemanden, der uns Kredit gibt. Und eine positive Erfahrung, es ebenso zu tun.

Debatte

Wer von 20 Jahren mitreden wollte, musste die Zeitung frühmorgens gelesen haben. Es gab einen gesellschaftlichen Druck, informiert zu sein. Dieser scheint mir gänzlich weggefallen. Man kann aus dem Haus, ohne überhaupt zu wissen, was rundherum los ist. Einerseits befreiend, weil all die schlechten Nachrichten, Unfälle, Verbrechen und sexuell aufgeladenen Geschichten nur geistiges Kurzfutter sind. Anderseits auch ein Verlust, weil weniger debattiert wird. Eine Voraussetzung für eine Debatte ist Gleichzeitigkeit, dass man sich zu einem Thema trifft – das hatte die Morgenzeitung geschafft.

Altem nachtrauern? Neue Lösungen finden! Drum unternehme ich einen neuen Anlauf, diese Gleichzeitigkeit via öffentlicher Videokonferenz herzustellen. Wer Fragen hat, eine andere Meinung, eine Idee oder einfach zuhören will, was andere sagen, ist herzlich willkommen.

In dieser Ausgabe finden Sie hinten zwei Termine und zwei Links, einen zur Abstimmung über den Werkhof und einen zum Geschäftsbericht 2022 mit dem Rechnungsabschluss.

Bis bald am Bildschirm!

Rennen

Wolken ziehen auf, Regen steht an. Und dann schüttet es wie aus Kübeln. Wie wird man weniger nass – rennen oder laufen?

Diese Frage wurde schon wissenschaftlich untersucht. Viele Parameter spielen eine Rolle wie die Grösse und Statur der Person, die Art des Regens, auch die Windrichtung oder die Aufenthaltsdauer draussen.

Generell kann man sagen: Je stärker und schräger die Regentropfen vom Himmel fallen, desto schneller sollte man laufen!

Und was heisst das für die Gemeindepolitik? Wer robust ist, kann nass werden. Wer fit ist, kann schnell laufen. Am besten sind wir beides.

Präsenz

Was ist der Vorteil, wenn man an ein Konzert, in die Kirche, an einen Match oder an eine Versammlung geht? Per Kopfhörer gibts besseren Sound, spirituelle Texte kann man selber lesen, Sport sieht man am Bildschirm besser, eine Versammlung kann durch eine Abstimmung ersetzt werden.

Die übliche Antwort ist: man geht wegen der Stimmung, den Emotionen, den sozialen Kontakten.

Ein weiterer Aspekt: wenn man sich physisch irgendwo hin begibt, ist das ein Bekenntnis. Nicht für die anderen oder zum Anlass, sondern für sich selbst. Sich genau für etwas Zeit nehmen, auf eine Sache konzentrieren, an einem Ort sein.

Nachteil der pyhsischen Präsenz: Man kann oft nicht sofort raus. Das teure Ticket hindert innerlich, ebenso die soziale Kontrolle. Wie an der Bürgerversammlung. Sie ist kostenlos, aber nicht ohne Kostenfolge. Wie spannend sie wird, bestimmt das Publikum. Auf dass auch diesmal niemand vorzeitig geht.

Bestätigung

Eltern, die ohne Handy ihren Kinderwagen stossen, spreche ich gern an, auf dass sie das weiterhin so machen. Positiv bestätigen statt innerlich meckern.

Kürzlich war ein Vater mit seiner Tochter an der Hand unterwegs, offenbar zum Kindergarten. Als ich mich ihnen von hinten nähere, vermute ich, dass es S. K. sein könnte. Er trägt im Laufen den Arm vor sich trägt, so wie man das eben von Eltern kennt, die sich im Laufen dem Handy statt dem Kind widmen. Als ich zum Überholen ansetze, sehe ich die Erklärung: S. K. trägt die Hand im Gips. Mich selbst ob des leis gedachten Vorwurfs ertappt fühlend erkundige ich mich nach der Ursache. Handball, letztes Spiel der Saison, kurz vor Ende ein böser Schlag des Gegners, Hand gebrochen. Nebeneffekt: Vater hat Zeit für einen Besuch im Kindergarten, beide strahlen, schön!

Die positive Bestätigung sei hiermit nachgeholt.

Ausrüstung

Die eine Jacke ist zum Velofahren, die nächste zum Wandern, die dritte zum Skifahren. Ebenso ist es mit den Handschuhen, Socken, den Leibchen und den Sonnenbrillen. Für jeden Zweck die geeignete Ausrüstung, vorher kanns nicht losgehen.

Abgesehen davon, was das alles kostet und wieviele Platz das braucht, nur schon die Zeit für die Beschaffung und den Unterhalt ist beträchtlich.

Natürlich, wenn ein Objekt mehrere Anwendungszwecke abdecken muss, ist es vielleicht nicht ganz optimal. Aber muss es das sein? Wichtiger ist die Freude an der Aktivität, die Kameradschaft.

Oft hätte die Benutzerin, der Benutzer selbst deutlich mehr Optimierungspotenzial als die Ausrüstung. Gern wird bei 10 kg Übergewicht eine zwei Kilo leichtere Ausrüstung gekauft. Mein aktuelles Anwendungsbeispiel: Skitouren.

Optimierung muss nicht bei der Ausrüstung sein: Der Nächste, der einen Witz über Gemeindepräsidenten erzählt, trägt meinen Rucksack.

Fehlerfrei

Diese Woche fragte ich wichtige Köpfe aus Industrie, Berufsbildung, Finanzwelt und Marketing, was ihre Ansprüche an einen guten Text seien. Muss er fehlerfrei sein? Tja, eigentlich schon. Nur sei absehbar, dass dieser Anspruch nicht mehr lange überlebe. Man müsse sich an ‚Chrut und Rüebe‘ gewöhnen.

Kann man denken, was man nicht formulieren kann? Ein Komma kann einen Unterschied machen, gross und klein schreiben auch.

Meine Vorstellungen wie präzis man schreibt, sind offenbar revisionsbedürftig. Bin gespannt, ob eine Gemeinde in 30 Jahren wie ‚Chrut und Rüebe‘ kommunizieren darf, weils niemanden mehr stört. Oder ob es dann immer noch Leute gibt, die präzis lesen und schreiben wollen?

Zuversichtlich stimmt: Die Schweiz meldete 2022 im Verhältnis zur Bevölkerungszahl doppelt soviele Patente an wie das nächstfolgende Land. Was sagt das über unsere Fehlerkultur?

Indirekt

Ende 2027, in 4 Jahren, brauchen wir einen neuen Zonenplan. Aktuell gibt es in Vorbereitung dazu „Quartiergespräche“. Die ersten 3 Termine sind durch. Sie haben Freude gemacht: Gute Diskussionen, gute Beiträge. Nicht ganz unerwartet ist „Verkehr“ das Thema Nummer Eins. Und das lässt sich verstehen:

1. Alles, was sich bewegt, wird mit hoher Priorität wahrgenommen, weil potenziell gefährlich.

2. Verkehr hat mit Siedlungsstruktur und Angebot zu tun. Wo viel ist, ist viel Verkehr.

Gesprächsstoff boten nebst Gebäudemassen, Zentrumsfunktionen und Radwege auch Robidogs, Unterflurbehälter oder Sitzbänke. Alles untergeordnete Infrastruktur und gleichwohl wichtig. Und ich danke allen Menschen, die es uns, der Gemeinde, der Gemeinschaft, möglich machen, diese untergeordnete Infrastruktur bereitzustellen. Diese kleinen Objekte, so meine Wahrnehmung aus den Quartiergesprächen, werden geschätzt, auch wenn das selten zum Ausdruck kommt – am ehesten indirekt durch der „Forderung nach mehr“.

5 Minuten

Unsere Männer vom Werkhof sind täglich im öffentlichen Raum unterwegs und drum mehr noch als ich mit Fragen der Bevölkerung konfrontiert: „Was macht die Gemeinde hier schon wieder?“ Fussgängerstreifen, Baum, Fussweg, Parkplatz, Signaltafel, Wasserbau – der Themen sind viele. Oft wissen unsere Männer grob Bescheid, nicht immer im Detail, weil Planung und Ausführung nicht beim Werkhof lag. Wie damit umgehen? Prügel für andere einstecken?

Für diesen Fall haben wir das Modell des „Fünf-Minuten-Denkers“ entwickelt. Und das geht so:

Jemand befasst sich ein Berufsleben mit einem Thema, ist Profi. Vieles von dem, was einem selbst in 5 Minuten zu besagtem Thema einfällt, dürfte dem Profi schon begegnet sein. Oder umgekehrt: Die Wahrscheinlichkeit, dass der eigene 5-Minuten-Gedanke so gut ist, dass dieser der Fachperson noch nicht begegnet ist, ist eher klein – vorsorglich Respekt haben.

Und zusätzlich: bei der eigenen Arbeit überlegen, was sich ein Vorübergehender in 5 Minuten denkt. Mindestens dafür brauchts eine Antwort.

Erfüllt dieser Text die 5-Minuten-Regel?

Flexibel

Gesellschaftliche Veränderungen lassen sich an Bauten ablesen. Bis vor rund 60 Jahren war wichtig, wie man nach aussen wirkt. Alte Bilder zeigen Menschen stets mit Kleid oder Anzug, Krawatte und Hut – gepflegte Aussenwirkung. So auch die Gebäude vor 1960. Fenster sind symmetrisch angeordnet, die Fassade sauber gegliedert, mit dekorativen Elementen, der Hauseingang sagt «herzlich willkommen». Aussen bestimmt, was innen ist.

Und dann der Wandel. Es ist nicht mehr wichtig, wie ich gesehen werde, sondern wie und was ich sehe. Fenster werden zu Löchern in der Fassade für Licht und Sicht. Die Garage wird zum Eingang. Das Gebäudes muss innen passen. Wie es für andere wirkt, ist sekundär.

Sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien, ist ein Gewinn. Nur bestimmt die «Ich-Baute» des Nachbarn die freie Sicht, die ich gesucht habe, mehr als mein eigenes Haus: Man blickt ja nun von innen nach aussen.

Der nächste Entwicklungsschritt? Es gibt riesige Bildschirme. Sie könnten Fassade (aussen) und Fenster (innen) sein. Passend zu unserer Gesellschaft: Immer schön flexibel bleiben.