Kalter Kaffee

Kaffee aus gefriergetrocknetem Pulver. Kaffee aus der italienischen Aluminium-Kanne, direkt von der Herdplatte, saumässig heiss. Filterkaffee, nicht zu bitter und ohne Satz. Vielleicht aus der Kolbenmaschine. Auf die Frage «Kaffee?» genügte früher ein «Ja» oder «Nein». Seit dem Kapsel-Fieber ist es wie bei der Krankenkasse. Man muss Fragen beantworten, die man gar nicht gestellt haben will: «Wollen Sie violett, gold, schwarz, ocker, grün, mit Mokka- oder Schokoladegeschmack, mit Spitalzusatz, Homöopathie, Fitness-Abo, Halbprivat, Auslandrettung?» Eigentlich müsste man für jede Frage, die man NICHT gestellt haben will, einen Rabatt, eine günstigere Prämie bekommen. Fragen beschränken. Das wäre eine Sparmassnahme für unsere Kantonsräte. Sie stellen der Regierung gelegentlich Fragen aus der Rubrik «Kalter Kaffee»!*

*Beispiel: Strassenverkehrssteuer für Raupenfahrzeuge im Pistendienst, Interpellation 51.15.34

Touch

Grümpelturniere sind der Horror jeden Personalchefs. Kommen Untraining und Unvermögen zusammen, ist der Unfall nicht weit. Wer auf der Gemeindeverwaltung Uzwil das Formular Bagatell-Unfall braucht, hat sich etwas eingebrockt. Die seufzende Frage des Personaldiensts ist eine besondere Form der Prävention und schwebt wirksamer als jede Suva-Kampagne segensgleich über den Sportlern: «Wa häsch wieder gmacht!?» Schwere Gewissensprüfung mit fürsorglichem Touch.

Die Uzwiler Verwaltung hat das Grümpelturnier der St.Galler Gemeinden gewonnen, hat diesmal unfallfrei gespielt. Der Personaldienst zeigte sich flexibel. Monika Lehner passte die Frage flugs an: «Wie händ ihr da gmacht?» Ungläubige Frage mit freudigem Touch.

Zu spät

Zuerst tröpfelts kurz, dann füllt ein schöner Strahl den Sack. Als Werbung oder Aufruf ist dieser Text hier zu spät. Blutspenden war in Uzwil am Mittwoch. Sich fragen, woher im Notfall der Lebenssaft kommen soll, dafür ist es hingegen nie zu spät.

Blutspenden, die moderne Form eines Aderlasses nach Hildegard von Bingen? Eine spezielle Vorstellung. Diese wird durchkreuzt von einem umfangreichen Fragebogen und Tests im Labor. Schliesslich sollen nicht böse Säfte raus, wie das die Ordensfrau vor 1‘000 Jahren beschrieb, sondern Leben rein, für Mitmenschen. Höchste Qualität ist gefragt.

Für viele Dinge ist es im Leben irgendwann zu spät. Nicht zum Blut spenden. Das ist jedenfalls besser als geschröpft werden.

Sieger

Wer ist der bessere Weltmeister? Warum erhält dieser Schweizermeister öffentliche Aufmerksamkeit und jene Europameisterin nicht? Da müsste es doch klare Regeln geben. Es gibt sie aber nicht. Ein ewiges Dilemma, aus dem ich letzten Freitag vielleicht einen Ausweg fand. Es gibt keine besseren Sieger. Sie feiern ist Privatsache. Weil es auch da Unterschiede geben muss.

Patrick Enz, Chef von Remund Gartenbau AG, lieferte die Anleitung dazu. Er zeigte mir an der Algetshauser Chilbi Fotos auf seinem Handy. Bilder von einer Trockenstein-Mauer, die «sein» Landschaftsgärtner Isai Tschamun zusammen mit seinem Kollegen an der Berufsweltmeisterschaft in Sao Paulo gebaut hatte. Von der Mauer verstand ich nichts, nur von der Begeisterung des Chefs. Er war überzeugt, die Beiden würden den Makel der fehlenden Abdeckplatte mit der zweiten Aufgabe noch wettmachen. Der Car war bestellt, das Fest organisiert, bevor das Ergebnis bekannt war: Herzliche Gratulation den Vize-Berufsweltmeistern!

Drama

Gemeinderat trifft Niederstetten. Er hört, wo der Schuh drückt. Zum Beispiel Hecken schneiden für bessere Kurvensicht. Oder Licht auf dem Weg zum Bus. Man solle die öffentlichen Parkplätze in Oberstetten bewirtschaften. Wie wäre es mit einem vergünstigten Taxibetrieb? Man würde das alte Schulhaus gern besser nutzen. Und die Verkehrsprobleme gelöst haben.

Die Klage eines Bürgers sei wie die Eintrittskarte zu einem Theater, sagt Philosoph Ludwig Hasler. Man müsse schon ins Theater gehen und sich dann das ganze «Drama» ansehen. Nur aufgrund der Eintrittskarte kann man sich keine Meinung bilden. Niederstetten als Bühne. Der Gemeinderat wird den Scheinwerfer auf die angesprochenen Themen richten und die Akteure aufs Parkett bitten. Und dann je nach Ergebnis das Drehbuch, die Rollen oder die Kulisse anpassen.

Meehr

Mehr Meer. So das Ziel, Nordsee. Auch da Wind und Wellen, Rauschen. Wasser und Wolken, Horizont. Kopf lüften, Sonne ins Hirn. Reise-Tipps verifizieren und die Sansibar trotzdem auslassen. Vom Wetter zu Hause schulterzuckend Kenntnis nehmen. Den Bücherturm endlich abtragen. Dabei von Helmut Plessner lesen. Der beschrieb 1924, dass es in der Politik ein ‹Recht auf Maske› gebe. Authenzität sei zweitrangig. Im Gegenteil. Politik verlange keine freundschaftlichen Gefühle. Weil man für Menschen einstehen müsse, die einem komplett fremd seien. So wie der Nachbar im Strandkorb. Mit ihm habe ich weder Vergangenheit noch Zukunft, nur Gegenwart. Drum muss ich auch den Bauch nicht einziehen. Meehr Luft zum Atmen, Ferien vor der Maske.

Noten

Ebbe. Kein Blau, kein Grün, auch kein Rot und Gelb. Das Notenfach im Portemonnaie ist leer. Also nichts wie zum Bancomat, Karte und Code rein, Karte raus und weg. Zack, über alle Treppenstufen zurück ins Auto. Als ich losfahren will, springt mir so ein «Latschi» fast auf die Motorhaube. Das hätte mir grad noch gefehlt. Mein Fluch bleibt im Hals stecken. Er wedelt freundlich: «Haben Sie die Noten im Bancomat vergessen?» Danke – macht Freude wie Ferien!

Spiegelei

Es ist gefürchtet, das Sommerloch. Die gähnende Leere macht doppelt zu schaffen. Da ist die Themennot, die Zeitungen badi-tauglich abspecken lässt. Und da ist die Angst des Übermittlers von schlechten Nachrichten vor zuviel Aufmerksamkeit: Ob eine Nachricht aufgegriffen wird, hängt von der Konkurrenz zu anderen noch dramatischeren Ereignissen ab. Im Sommerloch ist diese Konkurrenz kleiner: Kann man bei Temperaturen über 33 Grad ein Spiegelei auf einem Schachtdeckel braten? Darf man den Genitiv bewusst durch den Dativ ersetzen?

Die Gemeinde hat das Privileg, im Sommerloch zu schweigen, wenn es nichts zu sagen gibt. Nächste Woche ist noch Zeit für eine Betrachtung über die Gemeindegrenze, dann ist zwei Wochen Pause.

PS: Unsere Trinkwasservorräte reichen – bitte trotzdem sorgsam damit umgehen!

Ssssss ….

2 Uhr nachts. Ein Mücke surrt in meinem Ohr und weckt meinen Jagdinstinkt. Ich kann sie einfach nicht ignorieren – bis wir beide in Frieden ruhen.

Bei Tag wäre ihr lästiges Sssssss unbemerkt geblieben. Die Mücke hätte gefahrlos zustechen können. Aber nachts um 2 Uhr gab nichts, das sie übertönt hätte. Kein Geräusch, mit dem ich mich hätte ablenken können.

137 Gemeinden im Norden, Süden und Osten des Flughafens schlagen eine Konsens-Lösung für die Verteilung des Fluglärms vor. Der Süden nimmt den Morgen, der Norden den Tag, der Osten käme von 22 Uhr bis 23:30 Uhr zum Handkuss. Eine faire Lösung, finde ich.

Und Mücken, denen das Leben lieb ist, stellen den Flugbetrieb im Schlafzimmer dann auch ein. Fehlende Konkurrenz ist lebensgefährlich.

Lernen

«Fragen wir schnell das Volk!» sagt der griechische Präsident und macht eine Volksabstimmung innert Wochenfrist. Nebst den juristischen Bedenken ist das eine logistische Herausforderung. Ob wir hier das schaffen würden? Es wäre äusserst anspruchsvoll. Man stelle sich vor, das Parlament entscheidet Sonntag Nacht. Dann Abstimmungsunterlagen und Stimmzettel drucken und per Post an alle Stimmberechtigten inklusive alle Auslandschweizer. Und dann brieflich abstimmen, vorzeitig, an der Urne.

Wenn ein Staat mit 80 bewohnten Inseln und fünf Minderheitssprachen in Tagen eine komplexe Volksabstimmung durchführen kann, kann – oder könnte – er auch andere Sachen durchziehen. Sokrates, Platon und Aristoteles haben die Idee der Demokratie immer wieder neu formuliert. Sokrates hat sie via Schierlingsbecher das Leben gekostet. Platon entwickelte eine Dreiklassengesellschaft und verwarf die Idee wieder. Für Aristoteles war Politik nichts anderes als angewandte Ethik, es gibt keine Staatsverfassung, die allein richtig ist. Man kann einmal mehr von den Griechen lernen, wo die Grenzen der Demokratie sind.