Denksekunde

1984. Fotokurs bei Seklehrer Sepp Hersche. Alles mechanisch und chemisch, nichts digital. Zuerst die Frage: was willst Du, welche Emotionen soll Dein Bild ansprechen? Dieses dann finden, herstellen oder inszenieren. Dazu tausend Fragen klären: Mensch, Tier, Objekt? Bewegtes Bild, stehendes Objekt? Wie laufen die Linien? Wo Nähe, wo Distanz? Wie fällt das Licht? Mein Versuchsobjekt: Ich will die Autobahn nachts fotografieren. Also Stativ aufstellen, Kamera mit Drahtauslöser und Objektiv mit der richtigen Brennweite montieren, Film mit der richtigen ISO einlegen, Lichtverhältnisse messen, Bildausschnitt mit Mond wählen, Blende auf, mit der Verschlusszeit experimentieren. In der Dunkelkammer kommt die Arbeit ans Licht: Die Negative, dann die Abzüge entwickeln, Überraschung inklusive! Eine abendfüllende Arbeit bei einem geduldigen Lehrer. Seine Arbeit wurde nicht fotografiert, anders als im Zeitalter die digitalen Fotografie, wo alles bildlich festgehalten wird. Sie ist dennoch in bester Erinnerung, ebenso wie das Zaudern, das man hat, bevor man – für ein gutes Bild – über einen Zaun klettert. Dieses Zaudern ist wertvoll. Es verschafft die Denksekunde zur Frage: Was genau wolltest Du?