Rückgrat

Die moderne Haltung ist gebückt. Das erfordert die Dienstleistungsgesellschaft, man hat dienstfertig zu sein – ein kleiner Bückling ist da nicht falsch. Auch sitzende Tätigkeiten provozieren die gebückte Haltung: Zurückgelehnter Oberkörper, vorgereckter Hals. Zusätzlich fördern moderne Medien eine vorübergebeugte Haltung, augenfällig bei jedem Handybenutzer, der zu Fuss geht. Man überlegt sich heutzutage, Beschilderungen am Boden anzubringen. Alles, was höher als 3,5 m über Boden angeschrieben ist, wird nicht mehr gesehen. Lassen wir uns so einfach beugen?

Haltung wirkt zurück auf Geist und Körper. Wer heute kerzengerade auf dem Stuhl sitzen oder gerade vor Menschen stehen kann, beeindruckt. Gerade weil vieles auf eine gebeugte Haltung hinwirkt, ist es einfacher Rückgrat zu haben. Die Differenz ist einfacher zu schaffen.

Allzeit

Wo wohnt eigentlich ein Gemeindepräsident? Diese Frage wurde nicht nur medial, sondern auch unter Berufskolleginnen und -kollegen diskutiert. Ergebnis: man lebt mobil.

Gemeinsam transportieren die Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten der Region einen halben Hausrat im Auto. Der eine liefert die Wolldecke, der andere Ersatz-Hemd und -Hose, zu haben sind auch Zahnbürste und Waschzeug, Rucksack, Sackmesser, Kommunikations- und Multimedia-Geräte aller Art, Wanderschuhe, Stiefel, Helm, Hut, Not-Rationen, Not-Groschen oder Kreditkarte, Taschenlampe.

Erinnert mich an die Zeit in der Pfadi: «Allzeit bereit, zum Fressen und zum Streit!»

Kasse

Was die Raiffeisenbank Regio Uzwil an ihrer Generalversammlung auf die Beine stellt, ist beachtlich: inhaltlich, technisch, persönlich. Die Arbeit eines Jahres, eine Milliarde Umsatz, an einem Abend auf den Punkt gebracht – Chapeau!

Es ist eine GV mit Nebeneffekten: die Strassen zwischen Niederbüren und Schwarzenbach sind an diesem Abend leer. Freie Bahn für alle, die an diesem Freitag Abend einkaufen wollen, auch die Läden sind menschenleer.

Es ist der Beweis: Raiffeisen bringt Menschen zusammen.

Das schaffte auch der Behindertensportverein BSV Uzwil ein paar Tage vorher an seiner GV. Der Rücktritt von Präsident Roland Erni und Vorstandsmitglied Gabriela Bachmann bewegte die Sportlerinnen und Sportler. Mehr Verbundenheit geht nicht. Markantester Unterschied zur Bank: Der Finanzchef hatte seine Kasse dabei. Wer Fragen habe, könne zum Vier-Augen-Gespräch kommen.

Mord

Der Datenschutz bekommt ein neues rechtliches Kleid. Er wird auf die EU-Richtlinie abgestimmt, sprich viel detaillierter und umfassender. Nicht unbedingt schlecht, weil Daten heute ja kaum mehr nur lokal bleiben und gerade auch internationale Konzerne ein staatliches Gegenüber auf Augenhöhe brauchen. Die neue Bürokratie dürfte viele Prozesse massiv verlangsamen – Datenschutz hat einen Preis.

Früher wurde das Steuerregister im Geschäftsbericht publiziert. Später gab das Steueramt Auskunft, auch über Sie. Allerdings teilte Ihnen das Steueramt gleichzeitig schriftlich mit, wem es über Sie Auskunft gegeben hat – ein heilsamer Mechanismus, der Neugierige fern hielt. Mit solch pragmatischen Lösungen ist vorbei. Rechnen Sie mit vielem Kleingedrucktem, wie Sie es von Software-Unternehmen kennen bzw eben nicht kennen, weil nicht gelesen.

Nicht vorbei ist es mit den Neugierigen, die ihre Grenze nicht kennen, ob Person, Firma oder Staat. Anstand und Respekt kann kein Datenschutz-Gesetz organisieren.

Ohnehin droht im digitalen Zeitalter die Gefahr von anderer Seite: wessen Existenz in den Registern gelöscht wird, der verschwindet sang- und klanglos: digitaler Mord.

Geschminkt

Kinderfasnacht. Vater Strohwittwer schminkt seine beiden Töchter nach allen Regeln seiner Kunst. Sie haben einen Heidenspass. Alsbald sind das regenbogenfarbige Einhorn und kindergartengerechte Emoji auch passend eingekleidet, mit Konfetti ausgerüstet, fertig für den Umzug.
Uups, als Vater seine Girls unter den anderen «Fasnachtsbutze» sieht, relativieren sich seine Schminkkünste. Da gibt es echte Kunstwerke, liebevoll, sorgfältig bis ins Detail bemalt, wow. Die Konkurrenz ist gross.
Was macht das seinem Einhorn und seinem Emoji aus? Gar nichts. Ohne Spiegel gibt es keinen Vergleich. Für die Freude ist er deshalb nicht relevant. Schminken ist für die Anderen.

 

Fröhlich

Irgendwann, so meine Beobachtung, biegen Menschen, im Leben ab. Die Einen sind lebhaft-fröhlich, die Anderen sind zurückgezogen, in-sich-gekehrt. Das Ganze wirkt noch selbstverstärkend, ein Teufelkreis. Was kann die Gemeinde tun, dass möglichst viele Menschen die lebensbejahende Kurve nehmen? Einen gesetzlichen Auftrag dafür gibt es nicht. Wer also der Auffassung ist, dass der Staat möglichst wenig aktiv werden sollte, hätte hier eine Betätigungsmöglichkeit: Fröhlich sein oder Fröhlichkeit stiften.

Extrem

Sich an der Quelle orientieren – das ist eine gute Haltung. Sie ist meist mit etwas Aufwand verbunden. Der Aufwand lohnt sich, weil die Qualität an der Quelle eben am besten ist.

Gerade bei schwierigen Themen, wie etwa dem Rahmenabkommen Schweiz-EU lohnt es sich, selbst nachzulesen, was denn da drin steht. Und siehe: man kann das verstehen.

Von Alt Regierungsrat Hansulrich Stöckling habe ich eine effiziente Methode. Er studierte zuerst den Gesetzestext, die Quelle, und erst hinterher die Kommentare. Mit gutem Grund: der Quelltext ist meist eleganter, kürzer und verständlicher, als alles nachfolgende.

Ergo: Nicht nachplappern, was das Parteisekretariat, die Stammtischrunde oder die Zeitungen schreiben, selbst an die Quelle! Man muss vielleicht ein, zwei, drei Mal lesen, Fremdwörter nachschlagen. Mögliches Risiko: extreme Haltungen sind nicht mehr so einfach möglich, wenn man mehr als eine Seite der Medaille anschaut und über den Gartenhag hinaus denkt. Das ist schlecht für Extreme, aber gut für die Sache.

Lust

Polizei-Einsatz, abgesperrtes Gebiet, angespannte Situation. Dass das neugierig macht, ist zu akzeptieren. Die Polizei ist bei ihren Ermittlungen auch auf Beobachtungen im Umfeld angewiesen. Es wäre knapp noch zu verstehen, dass man fotografiert oder filmt. Vor allem wenn das eigene Leben sonst so langweilig ist. Aber dann hört es auf. Für Leserreporter und alle, die ihre ‹Trophäen› teilen und weitersenden, habe ich kein Verständnis. Wie kann man für ein paar Sekunden Aufmerksamkeit des Internets andere Menschen in schwierigen Lebenssituationen blossstellen? Würden Sie das brauchen?

Leserreporter sollten verdonnert werden, vorne dabei zu sein, nicht heimlich hinter der Ecke. Vorne an der Front. Mehrfach. Mit einem sichtbaren, wichtigen und öffentlich beurteilbaren Auftrag, nicht nur als Reporter. Die Lust am Teilen würde schnell vergehen, wenn man sieht, was man damit anrichten kann. Wobei: so viel Phantasie bräuchte man dafür ja nicht.

Hoffe, dass den Uzwilerinnen und Uzwiler die Leserreporter künftig erspart bleiben – lassen Sie das!

Unisex

Wer getraut sich, den Sinn, den Zweck und die Grenzen jedweder Form von Gleichstellung öffentlich zu hinterfragen? Von Mann und Frau, von Behinderten, von Schülern? Das sind Tabu-Themen. Sie sind so komplex, dass sie nicht in 1 098 Zeichen abgehandelt werden können. Und wer will schon gesellschaftliche Errungenschaften aufs Spiel setzen? Ergo schweigt man, wie ich hier. Warum?

Die Welt produziert täglich seitenweise neue Vorschriften zu Treppengeländern, durchbruchsicherem Glas, Bushaltestellen, Quoten, Bezeichnungen, Grussformen. Für jedes einzelne Thema finden sich Befürworter, in der Summe rufen jedoch alle nach einfachen Rezepten – ein unerträglicher Widerspruch.

Wie wäre es mit der gutschweizerischen Tugend, dass man dem Mitmenschen etwas zutraut, eine gewisse «Leidensbereitschaft» voraussetzt? An Schwierigkeiten wachsen, nicht alle aus dem Weg räumen? Das macht stolz.

Wenn wir in öffentlichen Gebäuden für das dritte Geschlecht auch separate Toiletten bauen müssen, wäre meine bevorzugte Lösung «Unisex». Dann sind alle gleich behandelt. Das Ende ist ohnehin dasselbe: Spülen!

Umsichtig

Skilager. Super, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer mit der Jugend in den Schnee gehen. Sie schaffen Erinnerungen, schmieden Gemeinschaft, helfen Sinne und Fertigkeiten entwickeln. – Danke für den Sondereinsatz!

 

In einer Lagerwoche bekommt oft jemand die Grippe. Das ginge ja noch, wenn nur der Patient im Bett läge. Auch das System «Gesellschaft» bräuchte einen kühlen Waschlappen.

 

Am Beispiel erklärt: dass ein Lehrer das Rettungsschwimm-Brevet braucht, wenn er mit seinen Schülern ans Wasser geht, scheint mir vernünftig. Genügt aber nicht: Macht er einen Ausflug an einen Fluss, braucht er das Brevet «Fluss». Geht er an einen See, braucht er das Brevet «See». Folge: Lehrer geht nicht mehr ans Wasser, weil ihm das zu blöd ist. Die Liste liesse sich fortsetzen, auch für den Schneesport.

 

Geschätzte Regierung, geehrte Gerichte, Parlamentarier: Regelt ausdrücklich weniger! Wir wollen nicht Schuldige und Angsthasen produzieren, sondern umsichtige Menschen. Und sie sollen Spass haben können, auch im Skilager.