Härter

Der Geschäftsbericht liegt im Entwurf auf dem Tisch. Auch die Bilder wollen ausgewählt sein. Keine leichte Aufgabe, es gibt einmal mehr viel gutes Material. Beim Durchblättern erkenne ich eine Frau, mit wunderbarem Blumenstrauss, im eigenen Garten. Ein Bild mit schönem Farbspiel und raffiniert eingesetzter Tiefenschärfe. Und, sollen wir dieses Bild nehmen? Gefallen täte es mir.

Ich ertappe mich beim Gedanken, dass man Menschen, die man kennt, manchmal härter beurteilt. Weshalb eigentlich? Weil man sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, bekannte Menschen zu bevorzugen? Vielleicht deshalb, weil ich schon oft gestaunt habe, welche Beziehungen Aussenstehende herstellen können. Verbindungen «Wer mit Wem Warum», auf die ich im Traum nie gekommen wäre.

Nun, das Bild mit Elisabeth Gmür ist sehr gut. Und nur weil ihr Mann CVP-Präsident ist das Bild nicht nehmen? Wäre auch nicht fair. Um jede gedankliche Verbindung kann und will ich mich nicht kümmern. Dafür hoffe ich, dass es Freude macht, unserer Gemeinde das Gesicht zur Verfügung zu stellen.

Ausgelernt

Lust- oder schmerzvoll – so lernt man. Wissenschafter Frederic Vester befasste sich vor 40 Jahren mit vernetztem Denken und Kybernetik. Er kritzelte sein Modell noch an die Wandtafel.

Und heute? ETH-Professor Ruedi Steiger referierte kürzlich zum Thema «menschenorientierte Führung». Eine Lehrstunde, wunderbar lustvoll, man konnte oft lachen. Obwohl es nichts zu lachen gegeben hätte. Denn er zeichnete farbig die ideale Führungskraft, erzählte Müsterchen. Vorbildlich sein, fachkompetent, zuhören, anleiten, Zeit im Griff haben und das Ziel. Denn das Ziel ist das Ziel und nicht der Weg. Alles Dinge, die man weiss, wüsste, wissen könnte. Der Professor schraubte lustig an der Spirale, der Erwartungsspirale. Sagte direkt, wie man zu sein hat, und indirekt was man erwarten darf.

Meine Schlussfolgerung: Je mehr man weiss, desto höher steigen die Ansprüche an die Technik, an die Menschen und an die Menschlichkeit. Manchmal wäre es schön, weniger zu wissen, weil man weniger muss. Haben Sie gewusst? In Zürich sind’s von der ETH zur Psychiatrischen Uniklinik gerade mal 4 km, Gehdistanz.

Der Weg von lustvoll zu schmerzvoll ist bekannt, er kann kurz sein. Geht’s auch umgekehrt? Hoffentlich – mit Neugier und Anleitung! Nächste Woche startet das Lernfestival, ein buntes Programm für Neugierige und alle anderen, die noch nicht ausgelernt haben.

Nachbar’s Rasen

Gossau spart. Das stand letzte Woche in der Zeitung und auch, was die Bevölkerung dort davon hält. In einem Statement vergleicht ein Gossauer seine Gemeinde mit Uzwil: Ein Kreisel in Gossau sei drei Mal teurer als in Uzwil. Aha.

Kürzlich sagte mir ein Nicht-Uzwiler, die steile Strasse, die in Niederuzwil am Schulhaus vorbeiführe, die sei schön und wirksam gestaltet. Soso, die Herrenhofstrasse.

Der Rasen des Nachbarn ist eben grüner, seine Kartoffeln sind grösser – manchmal ist Uzwil der Nachbar.

Neu

Seit 1879 tschuttet der FC St.Gallen. 1885 stellte Carl Benz der Öffentlichkeit das erste Automobil vor. Das gab zu reden, weil’s neu war. Fussball spielen und Auto fahren. Beides ist längst auch in Uzwil angekommen. Was ist daran heute noch aufregend? Die neuen Formen!

Der Raiffeisenplatz in Niederuzwil ist neu auch Fussball-Stadion. Am Samstag Nachmittag wird Tischfussball gespielt, auf sieben Töggeli-Kästen. Trotz statischen Figuren ein hochdynamisches Spiel. Ohne Schienbeinschoner, ohne Offside, ein «Grümpelturnier» ohne Verletzungsgefahr.

Die Uzwiler Verwaltung fährt neu mit kleinen Elektrofahrzeugen, Twizy‘s. Komfort wie 1885, dafür mit moderner Technik, leicht, leise, günstig, unbeheizt und wenig Platzbedarf. Wieder mehr Wind in den Haaren. Für die Wege in und um die Gemeinde reichts allemal, so die Annahme. Ob sie zutrifft, beispielsweise im Winter, wird die Praxis zeigen.

Ob Auto oder Fussball: Was neu ist, ist zu diskutieren

Easy Rider

Vor der Beiz. Einer nach dem anderen trudelt in einer schönen Kurve am Parkplatz ein. Chromstahl blitzt. Die Griffe sind aus Moosgummi oder Leder, die Sitzbank ist schön glatt. Details geben dem Massenprodukt etwas Persönliches. Schliesslich ist man ästhetisch, modern und erinnert sich gern an alte Zeiten. Die Fahrzeug-Reihe ist sauber ausgerichtet, mit kleinen Respektabständen. Man tauscht ein paar Worte, bevor man gemessenen Schrittes ins Lokal geht – sehen und gesehen werden.

Früher war’s die Harley, heute ist’s der Rollator.

Alles ändert, alles bleibt.

Welten

Unterschiedliche Lebensgeschichten, kontroverse Ansichten nur paar Millimeter entfernt. Wo ist das möglich, Rücken an Rücken? Seichte Unterhaltung neben tiefgründig Durchdachtem?

In der Bibliothek. Hier treffen sich Welten, die anders kaum zu vereinen wären. Rücken an Rücken, allein das äussere Bild der Bibliothek ist beeindruckend. Die Uzwiler Bibliothek ist dicht besiedelt, sorgsam gepflegt, laufend erweitert, seit 15 Jahren im Zentrum. Man muss an der kleinen Jubiläums-Feier um 17 Uhr nicht Rücken an Rücken stehen.

Wer’s auch sonst lieber Seite an Seite hat, der geht später am Abend an die Algetshauser Chilbi. Das ist dann zwar keine Bibliothek, aber sonst der Ort, wo sich die Welt begegnet.

Langweilig

Die Sommerferien enden. In dem Mass, wie den Eltern die Ideen ausgehen, gewinnen die Kinder an Energie. Das ist die Bambolo-Zeit, das Uzwiler Ferienprogramm für Kinder. Ein kurzer Besuch: Im ersten Zelt vorm Rüteli-Wald ist Line-Dance angesagt – sie machen das echt gut. Ein paar Schritte weiter gibt’s stilvolle Gesichtsbemalungen. «Baust Du mit uns eine Kügeli-Bahn? », fragt ein Knirps. Der Verweis auf meine Büro-Schuhe ist trotz nassem Waldboden eine feige Ausrede, ich hätte sollen. Einen Frisbee nähen können auch Jungs. Und Teig fürs Schlangenbrot gibt’s mehr als genug. Der Wald lebt.

Auf dem Weg zurück fallen mir drei Mädchen auf. Sie schlendern verträumt mit ihrem Schoggi-Brot auf dem Waldweg, haben ihre eigene Beschäftigung mit sich und der Umgebung gefunden. Trotz tollem Bambolo-Angebot und motiviertem Betreuer-Team. Niemand stört’s.

Da fällt mir die Frage ein, die mir anfangs Sommer von den Medien gestellt wurde: «Was können Uzwilerinnen und Uzwiler in den Ferien in der Gemeinde unternehmen?». Der Gemeindepräsident als Ideenlieferant? Nein! Die Gemeinde muss nicht alles franko Haustür liefern. Die nebensächliche Begegnung mit den drei Mädchen bestärkt mich in der Antwort: «Es sich so richtig ausgiebig langweilig werden lassen – so lange, bis man merkt, dass man eben selbst auf Entdeckungsreise gehen muss.» Kinder können das, selbst im Bambolo. Und Sie?

Kampf der Dose

Was haben SBB-Wagen, Ferienwohnungen, Sitzungszimmer, SAC-Hütten und eine Werkstatt gemeinsam? Es wird gekämpft. Um einen Platz. Um einen Platz in der Steckdose. Kaum ist man irgendwo angekommen, ist die erste Handlung «einstecken». Egal was. Irgend etwas muss aufgeladen werden. Smartphone, Notebook, elektrische Zahnbürste, Bohrmaschine. Und wehe, der Platz ist besetzt. Dann wird gesucht und geflucht als ginge es um Leben und Tod. Ohne GPS keine Biketour. Ohne Smartphone keine Mails. Ohne Mundhygiene kein Kuss. Ohne Bohrmaschine kein Job.

Der Kampf um die Steckdose hat sich verschärft. Positiv daran: Der Mensch hat schnell gelernt, wie wichtig volle Batterien sind.

Schöne Ferien!

PS: Doppelstecker nicht vergessen

Helvetia

Ein aufregendes Erlebnis, so eine Geburt. Erprobter Vorgang mit hohem emotionalen Potenzial. Und viel Grund zum Feiern. Was fürs königliche Baby Georg gilt, trifft auch für die Schweiz zu – schliesslich ist bald 1. August.

Monarchie und Demokratie brauchen Geburtstage. Weil beide ins Sommerloch fallen, füllt das Zeitungsspalten. Mit Betrachtungen über die königlichen Figuren und den steuerbefreiten Wirtschaftsfaktor Königreich. Mit Plädoyers für Einheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit.

Wozu so ein Geburtstag sonst noch gut ist? Man kann die eigene Bereitschaft zur Toleranz testen. Man stelle sich vor: am Nationalfeiertag würden 3 Stunden die Glocken läuten wie für das königliche Baby. Umgekehrt sind 41 britische Bollerschüsse fürs Baby im Vergleich zur flächendeckenden Kraft des Schweizer Feuerwerks bescheiden. Als Ausgleich könnte man am 1. August auch wieder einmal die alte Nationalhymne singen, zu Ehren der Queen, Helvetia.

Nur der Chef

Im Auto mit einem selbständigen Unternehmer, 57. Die Freisprech-Anlage läutet, der Sohn, 28, am Telefon: «Du, Kurt will unbedingt wegen des Auftrags mit Dir reden. Ich habe alle Details mit ihm besprochen. Habe ihm auch angeboten, vorbei zu kommen und den Auftrag zu besprechen. Er will partout nicht. Er will Dich!» Zufällig werde ich Zeuge einer grossen Herausforderung unserer Zeit. Die Nachfolge-Regelung. Ein Thema, das vielen Unternehmern auf dem Magen liegt. Die Früchte der eigenen Arbeit weitergeben ist wohl etwas vom Schönsten. Und etwas vom Anspruchsvollsten. Der Unternehmer hat jahrelang jeden Franken, jede Minute und jeden Gedanken in sein Unternehmen investiert. Ist der Nachfolger reif? Kann er’s? Das wiederum kann dieser nur beweisen, wenn er auch ran darf. Noch ist die Geschäftsübergabe an die Jungmannschaft nicht erfolgt, der Patron muss noch, soll noch, darf noch.

Als Gemeindepräsident solche Gespräche mitbekommen, offenbart die Schwierigkeit: Es ist nicht einfach, dem Sohn Mut zu machen und gleichzeitig dann halt doch – im Sinn des Auftrags – mit Kurt zu reden. Einfacher wäre es, wenn der Auftraggeber, also Kurt, dem Sohn eine Chance gibt. Auf dass dieser seine Fehler selbst machen kann. Das bringt alle weiter. Denn es werden auch andere Fehler sein als die des Patrons.

PS: Gilt wohl auch für Mütter und Töchter.