Existent

Woran merkt der Mensch, dass er tatsächlich existiert? René Decartes befasste sich im 17. Jahrhundert ausführlich mit dieser Frage und kam zum Schluss: «Ich denke, also bin ich.» Er schrieb nicht deutsch, sondern lateinisch. Und wenn man auch nur oberflächlich recherchiert, kommen Zweifel: etwas stimmt nicht. Entweder ist Decartes› Gedanke oder die deutsche Übersetzung von «cogito ergo sum» falsch.

Schade, dass man nicht die Zeit hat, allen Dingen auf den Grund zu gehen. Und den Verstand dazu ohnehin nicht. Auch dann nicht, wenn man im Internet schnell ein paar Fragmente zum Thema gelesen hat. Oft bleibt nichts, als sich auf die eigene Wahrnehmung zu verlassen, auch zu existentiellen Fragen wie zur Abtreibungsinitiative oder zur Masseneinwanderung.

Woher wissen Sie, dass Sie existieren? Ich weiss es, weil meine Tochter schon lacht, bevor ich sie gekitzelt habe.

Abschalten

Das war noch eine Zeit, als man den Fernseher für die Winter-Olympiade und die Fussball-WM mietete. Als die Familie vor der Kiste Zmittag ass, derweil Franz Klammer die Kamel-Buckel schneller übersprang als Bernhard Russi, mit Helm (!) und Fischer RC4 Lochski. Um Mitternacht kamen Testbild und Nationalhymne. Das war die Zeit, als man im Fernsehen noch rauchen durfte. Programm wechseln bedeutete aufstehen, hingehen, einen der sieben Sender-Knöpfe drücken. Zappen war Fitness nach den Regeln der Familien-Hierarchie.

Moderne Fernseher haben eine Kamera eingebaut. Diese Kamera beobachtet alles, was sich in der guten Stube bewegt. Sie erkennt Handzeichen, sogenannte Gesten. Ziel dieser Technik: Man kann sitzen bleiben, in der Luft gestikulieren und sich von «SF bi dä Lüt» zum «Schweigen der Lämmer» zum «Sport im Dritten» winken. Offenbar wird heute schön sittsam TV geschaut, konfliktfrei. Denn wie interpretiert das elektronische Auge beispielsweise jubeln? Schaltet es automatisch auf den Österreicher um? Was passiert, wenn der Fernsehsportler den Ball vom Sessel aus selbst ins Tor haut? Kommt dann das Kinderprogramm? Die Lösung bleibt wohl die selbe wie damals: abschalten.

Rezept

Frohe Festtage! Das ist in dieser Zeit der meistgelesene Schlusssatz auf Karten, in Mails. Wie froh sind denn Festtage? Dieses Jahr dauern sie fast zwei Wochen. Das freut viele. Und jene, die allein sind? Gibt es ein Rezept gegen das Alleinsein? Wer sich für andere verantwortlich fühlt, hätte gern eins. Je grösser der Ort, desto weniger fällt Einsamkeit auf. Nur kann die Gemeinde nicht jede Suppe kochen.

Mit einem Weihnachtsgruss hat mir jemand ein kleines Kochbuch geschenkt. Es ist ein Skizzenbuch von Yvonne Rogenmoser, einer Illustratorin, mit der Überschrift «Urban Gardening», Rezepte aus den Gärten einer Stadt. Da ist zum Beispiel «Frau Gerolds Garten» in einem Aquarell gemalt und ein Rezept «Peterli – Pasta» mit wenig feingehacktem Liebstöckl. Raffiniert, einfach und günstig. Trotz schönem Büchlein: kochen muss man immer noch selbst, sei’s für sich oder für andere, als Rezept gegen das Alleinsein, für frohe Festtage.

Aufwerfen

Ein Pfarrer erzählte mir vorgestern einen Witz: «Zwei Pfarrer unterhalten sich darüber, wie sie ihre Kirche finanzieren. Der Katholische meint: wir behalten den Zehnten. Der Evangelische sagt: Also wir geben alles Gott. Wir werfen das ganze Geld zum Himmel hinauf. Was er haben will, nimmt er sich – der Rest bleibt in der Gemeinde!»

Dieser Witz machte mich neugierig: Wie war das genau mit dem Zehnten? Das war eine Abgabe, die man in Geld oder in Naturalien wie Getreide, Fleisch, Wein leisten konnte. Napoleon hat diese Steuer für Kirche und Staat nach seinem Einmarsch im Jahr 1798 abgeschafft. Ein Zehntel des Einkommens als Steuer zahlen, das wäre doch ein gutes Modell, viel einfacher, weniger Papier und vor allem viel günstiger. Heute zahlen wir deutlich mehr, auch in versteckter Form, sei‘s AHV, Benzin, Strom, Zoll. Ich musste allerdings nur kurz recherchieren um herauszufinden, dass das simple Modell auch seine Tücken gehabt haben muss. Es führte zu Volksaufständen und Revolutionen.

Zum Himmel hinauf werfen ist clever. Zum Glück war im Witz der Gemeindepräsident nicht mit von der Partie. Der hätte das Geld wohl zum Fenster hinaus geworfen!

Denk mal

Der Bauverwalter wird in einem Leserbrief öffentlich angegriffen. Man solle einen Parkplatz nach ihm benennen. Der Verwaltungsleiter reagiert im Newsmail der Gemeinde bildhaft und augenzwinkernd, zitiert einen deutschen Bürgermeister: «Schimpfen auf die Bauverwaltung gehört sozusagen zum Freizeitangebot einer Stadt.»

Hier das Volk. Dort die Verwaltung. Was muss der Steuerzahler aushalten? Und was der Projektverantwortliche? Der Gemeindepräsident als Dompteur dazwischen.

Leider bekommt Markus Schwizer keinen Platz und auch kein Monument. Denn Uzwil stellte bisher die Sache vor die Person. Es gibt eine Oswald-Heer-Gasse als Hommage an den grossen Naturforscher. Und eine E.F. Werner Strasse in Henau, benannt nach dem Direktor der Möbelfabrik. Vielleicht ist die Schweizergasse Baumeister Schweizer zurückzuführen. Dann ist fertig. Obwohl Uzwil einige «Kaliber» hätte, die einen Platz verdienen würden. Wem würden Sie ein Denkmal setzen?

Spiel Satz Sieg

Filz hat eine Faszination. Vor allem wenn Federer und Wawrinka damit spielen. Der Stolz der Schweiz zeigt sich, dass «wir gewinnen» und «sie verlieren». Gerade hat Federer gegen Gasquet gewonnen. Und Wawrinka gegen Nadal verloren, hochklassig. Noch laufen die ATP-Finals in London.

Sprung zur Raumplanung. Dieses «Spiel» läuft in Uzwil auch noch. Zonenplan, Baureglement und Schutzverordnung stehen bis Ende November zur Vernehmlassung. Im Frühling 2014 kommt das Moratorium: zwei Jahre kann in der Schweiz nichts mehr eingezont werden. Das Spiel unter den Gemeinden beginnt. Wer darf sich noch entwickeln? Wer gewinnt, wer verliert? Es geht wie beim Kampf um den Filzball um viel, viel Geld, um die bessere Position. Der Weg zum Sieg ist auch in der Raumplanung noch weit.

Ob Filz hier auch eine Rolle spielt?

Jetten

«Sie sollen arbeiten statt in der Welt herumzujetten. Und sparen, das mussten wir auch!» Sagt die Generation 70 plus.

Heute Abend ist Jungbürger-Feier. Muss ich den Mahnfinger hochhalten? Nein. In weniger als 15 Jahren gibt es gleich viele Erwerbstätige wie Rentenbezüger. Wie sollen da die Jungbürger AHV und BVG revidieren, unsere Demokratie in die Zukunft führen? Müsste man das Stimmrecht der 25 bis 45-jährigen verdoppeln? Utopisch, unfair. Trotzdem sind Alt und Jung gefordert. Denn einfach hat’s die Jugend nicht. So schnell wie sie musste noch keine leben. Keine musste so schnell so viele Entscheide treffen, als Folge des riesigen Angebots, von uns geschaffen. Auch Cybermobbing versteht nur die Generation von heute. Ich freu mich auf den Anlass, etwas über Cyberpolitik zu lernen. Chatten und jetten.

Falle

Medien und Politik dürfen sich nicht gut finden. Das ist im System so vorgesehen und erleichtert mir den Seitenblick. Allgemein hält man Politiker, sicher auch Gemeindepräsidenten, für selbstverliebt. Sie glauben, die Welt drehe sich nur um sie und ihre Ideen. Manchmal rede ich mir ein, dass das für diese Funktion sogar notwendig sei. Diese Woche habe ich entdeckt, dass die andere Seite das auch kann. Die Zeitung. Sich mit sich selbst beschäftigen.

So stand an bester Lage auf zwei Seiten, das Tagblatt tausche mit der Wiler Zeitung Aktien gegen Verlagsrechte. Der Journalist würde den Politiker fragen: «Wen interessiert das und was daran ganz genau?».

Irgendwie hat’s mich gefreut, dass auch die Medien in die Fall tappen können: Überzeugt sein von der Wichtigkeit der eigenen Botschaft, schwungvoll erklären, wenig sagen, dafür mit Bild. Lesen Sie den Uzwiler Geschäftsbericht mit dem Budget 2014 kritisch, und Ihre Hauszeitung auch.

PS: Bei aller Gewaltentrennung: Pascal Schwarz, CEO der Wiler Zeitung AG, hätte im eigenen Blatt ein besseres Bild und ohne blitzlichtrote Augen verdient.

Zurückgeklaut

Am Bahnhof zählen Uhr und Takt. Die SBB ist hochstrukturiert und durchgeregelt. Hier die Schiene, dort die Strasse – auf der anderen Seite wird am Uzwiler Bahnhof gebaut. Zwischenzeitlich schien vor lauter Umleitungen dort gar nichts mehr geregelt. Der Verkehr musste sich den Weg durch die Baustelle selbst suchen. Und siehe da: es funktionierte, besser als erwartet. Müsste man einfach darauf vertrauen, dass Unordnung und Anarchie auch funktionieren?

Kürzlich habe ich am Bahnhof ein Beispiel angetroffen, wie sich gewisse Dinge selbst regeln. Da war noch ein Platz im Veloständer frei. Dafür hing dort ein Zettel: «Hallo Velodieb. Tief enttäuschst war ich, als Du mir in einer Samstag Nacht mein geliebtes Bike gestohlen hast. Doch folgende Fehler hast Du gemacht. 1. Warum benutzt Du das Velo selber? 2. Dann noch in Uzwil, wo Du es geklaut hast. 3. Das Zahlenschloss ist noch das von mir. Ich kenne die Kombination noch!» Wie es scheint, hat der Eigentümer sein Velo zurückgeklaut. Nun, die Bauarbeiten sind bald fertig und Sie können den ganzen Bahnhof wieder zurückhaben.

Übergang

Uzwiler Herbstmarkt, anschliessend Ferienbeginn. Zuerst nochmals Vollgas, dann ausklinken. Ist wie Segelfliegen mit Windenstart. In Amlikon TG kann man Passagierflüge machen (www.cumulus-segelflug.ch), ein tolles Erlebnis. Eine Seilwinde beschleunigt das Segelflugzeug in drei, vier Sekunden von null auf Hundert. Ist die Höhe erreicht, klinkt der Pilot das Stahlseil aus. Der kurze Übergang in den geräuschlosen Segelflug schlägt manchem Passagier auf den Magen. Wie bei den Ferien. Der Übergang von schnell zu langsam ist kritisch. Das ist der Preis für eine gute Übersicht. Wer Aufwind findet, gewinnt Distanz und Höhe, kann sich und seine Gedanken kreisen lassen. Ob Herbstmarkt oder Ferien – ich wünsche einen schmerzlosen Übergang!