Medizin

«Du kannst den Gemeindepräsidenten belügen, den Hausarzt besser nicht!», erklärte mir ein deutscher Landarzt augenzwinkernd. Dem Hausarzt bringt man sich, dem Spezialisten das kranke Organ, brachte es Ludwig Hasler im Buch ‚Des Pudels Fell‘ auf den Punkt. Die Hausärzte fühlen den Puls der Gesellschaft. Im kürzlichen Austausch ging es um ethische Fragen wie die Pflege von Sterbenden. Es geht um gesellschaftliche Fragen wie schulärztliche Aufgaben oder Impfungen von schweren Krankheiten wie Masern oder Windpocken. So lange die Impfrate ausreichend hoch sei, bestehe wenig Gefahr für die Gesamtbevölkerung, gehe nur der Einzelne ein Risiko ein – mit Betonung auf «so lange». Diskutiert wurde auch, ob ein Ausbau der Spitex für die Nacht ärztlich notwendig sei. Es ging auch um scheinbar banales: die offiziellen Haus-Nummern fehlten oft. Die Designer-Zahlen erkenne man nicht, wenn man in Eile und im Dunkeln nach der ‚richtigen‘ Hausnummer suche. Der Arzt verliere wertvolle Zeit. Die Zeiten ändern sich. Es gibt Dinge, die früher besser waren. Um das zu schätzen, müssen sie schlechter werden. Ein Fall für die Philosophie, die Medizin oder für den Hausarzt?

Einfach nichts

«Vom Aussterben bedroht», das ist meine Diagnose für Hausärzte. Eine gefährliche Krankheit. Uns gehen die Generalisten aus. Dabei wär’s so wichtig, mehr Überblick zu haben. Hausärzte sind gefordert, müssen sich schnell mit wenigen Angaben diesen Überblick verschaffen: Was ist los? Wie schlimm? Leib oder Seele? Kann ich helfen, brauchts Spezialisten? Fehler nicht erlaubt.

Hausärzte haben eine wichtige Vertrauensstellung, im Notfall und im Alltag. Kurze Wege, kompetente Hilfe, man kennt sich. Das ist effizient, besonders im Zeitalter der internetbasierten Selbstdiagnose. Das Gesamt-System Mensch liegt ihnen am Herzen. Der Beweis war die bisher schmerzhafteste Diagnose meines Hausarztes für mich: «Geh nach Hause, Du hast nichts!»