Deklaration

Auf jeder Lebensmittel-Packung steht, was drin ist: Fett, Kohlenhydrate, Eiweiss, Säuren und E-Nummern. Ein Joghurt decke 12 Prozent des täglichen Kalorienbedarfs. Da wäre es am einfachsten, 8 dieser Joghurts zu essen. Dann wüsste man, dass der Bedarf gedeckt ist. Jede andere Rechnung schwieriger, nur schon für einen Tag. Wer zählt schon alles zusammen, berechnet seinen Genuss?

Dass kaum jemand die Lebensmittel-Deklaration versteht, ist unbestritten. Ist sie deswegen zwecklos? Sie schafft Verbindlichkeit, sensibilisiert und ja, sie ist ein täglicher Appell. Man weiss ja, dass es rechnet, auch wenn man nicht rechnet. Stimmt die Bilanz nicht, wird Schuhe binden schwieriger.

Uzwil hat Bilanz gezogen, den Kalorienverbrauch zusammengezählt, das Energiestadt-Label nochmals geschafft. Wir wollen uns auch künftig bücken und strecken können.

Fronten

12 km sind’s nach Wil, 13 km nach Kradolf. Uzwil war zwischen zwei Fronten, zwei Gewitterzellen. Wir hatten Glück, schickten Feuerwehr und Zivilschutz nach Wil zu Hilfe. Original-Ton unserer Kräfte vor Ort: «Die Bilder waren grauenhaft. Autos verschoben sich in Bächen, Vorplätze sackten ab, Keller 1,5 m unter Wasser. Schichtwechsel um Mitternacht, Einsatz bis 06:30 Uhr. Jetzt Material sofort wieder einsatzbereit machen.» Die Führungskräfte sind stolz auf ihre Mannschaft.

Szenenwechsel. Zufällig konnte ich letzte Woche das Entlastungsbauwerk der Uze besichtigen. Wir marschierten im übermannshohen Kanal, in der Mitte ein kleines Rinnsal. Der über 1,3 km lange Kanal ist für ein 100-jähriges Hochwasser ausgelegt, soll Gefahr und Energie ableiten. Der Kanal blieb diesmal unbenutzt. Bei aller Vorsorge, Hochwasserschutz ist anspruchsvoll. Vorsorgen oder heilen? In beiden Fällen gibt es Betroffene, oft sind es nicht dieselben. Wer will schon einen Damm auf seinem Grundstück oder Kreisel mit unerklärlichem Gefälle? Mit vollem Keller und weggespültem Auto denkt sich‘s anders. Ein Risiko bleibt. Dagegen hilft nur Hilfe. Ein Dank unseren Einsatzkräften.

Stoff

Woher der Stoff? Zuerst spinnen und zwirnen, dann weben oder stricken, bleichen, färben und zum Schluss veredeln. Dieser Prozess wurde in Uzwil‘s Textilindustrie beherrscht, von A bis Z. Im Textilmuseum hats wunderbare Exponate aus Uzwil, Design zum Staunen.

Woher den Stoff? Am Dienstag verriet Marcel Sprenger, Sänger der Uzwil Band ‚Neckless‘, der besten Schweizer Nachwuchs- Band, woher er den Stoff für seine Songtexte hat. Am Klavier die Melodie komponieren, dann einfach mal summen und singen, in einer Phantasiesprache. Bis die richtigen Worte zusammen finden, aus dem Knäuel ein Faden wird, spinnen eben. Mit begeisterndem Ergebnis: Indierock an der Bürgerversammlung.

Woher den Stoff? Mehr spinnen.

Ausländer

Wie wird ein Ausländer zum Inländer? Als der Kanton St.Gallen vor 212 Jahren gegründet wurde, dauerte die Reise von Uzwil nach Mels SG etwa gleich lang wie heute mit dem Auto nach Zagreb, Pisa oder Bremen. Unser Ratsschreiber Marcel De Tomasi ist von Mels. Historisch betrachtet ist er «unser verwaltungsinterner Ausländer» und als Chef der Kanzlei zuständig für die Einbürgerungsverfahren. Der Gemeinderat prüft dann die Gesuche: Beziehungen zu Schweizern muss man pflegen, Deutsch auf dem Niveau von B1 beherrschen. An Gesetz und Ordnung muss man sich halten, die Steuern zahlen und die Integration seiner Familie fördern. Die Hürden des St.Galler Bürgerrechtsgesetzes nehmen längst nicht alle Bewerber.

Meine Feststellung aus den Einbürgerungsgesprächen: Ein hoher Anspruch ist wichtig und im Sinn der Kandidaten. Der Pass wäre sonst nichts Wert. Ob wir unsere eigenen Anforderungen auch immer erfüllen? Es gibt viele Menschen, die eingebürgert wurden und stolzere Schweizer sind als wir selbst. Vielleicht, weil das Bürgerrecht nicht einfach in die Wiege gelegt wurde. Ein Mitarbeiter beantwortete gestern die Frage nach seinen Wurzeln sec: «Ich bi vom Mariefried!»

Neutral

Grad nach Pfingsten ist Bürgerversammlung. Möglicherweise liest man in der Woche darauf in Zeitungsspalten, dass die Beteiligung klein gewesen sei, verbunden mit der Frage, wie repräsentativ denn eine solche Demokratie sei. Wie sagte Giovanni Guareschi, der Schöpfer von Don Camillo und Peppone? «Ein Kritiker ist eine Henne, die gackert, wenn andere legen.» Soweit würde ich nicht gehen. Gackern ist auch wichtig. Allein der Umstand, dass der Gemeinderat mit seinen Geschäften vor die Bürgerschaft treten muss, lässt nicht allzu übermütig werden. Zudem gibt es keinen direkteren Weg als die Bürgerversammlung. Sie wirkt einem zweiten Spruch von Guareschi entgegen: «Politik besteht nicht selten darin, einen simplen Tatbestand so zu komplizieren, dass alle nach einem neuen Vereinfacher rufen.» Der Vereinfacher muss nicht der Heilige Geist sein. Dafür genügen die Bürgerinnen und Bürger, die teilnehmen. Zudem ist die Bürgerversammlung konfessionell neutral.

Nullpunkt

Uzwil ist um 90 cm von Bern weggerückt. Ein politisches Statement gegenüber der Hauptstadt? Falsch. Die Vermessung der Schweiz ist neu, satellitenunterstützt und international abgestimmt. Uzwil wurde rechnerisch wie auf einem Teppich nach Osten gezogen und neu eingepasst – ein komplexer Vorgang mit Folgen. Für 8 Prozent aller Eigentümer gibt das neue Grundstücksflächen. Diese kann bis zu 2 m2 abweichen, in wenigen Fällen um mehr.

Die alte Vermessung aus dem Jahr 1903 ist die wahre Meisterleistung. Ein Wunder, dass die Abweichungen nicht grösser sind! Man rechnete von Hand, hantierte mit 5-Meter-Latten und mass mit optischen Instrumenten. Ein Markstein, der wurde vor 110 Jahren in einer Wiese vergraben wurde, kann heute noch präzis geortet werden.

Gefühlt driften wir in vielen Dingen um mehr als 90 cm auseinander. Das Beispiel der Vermessung zeigt: wir brauchen ein verlässliches Koordinatensystem. Und wenn es ist, um den eigenen Nullpunkt zu bestimmen.

Post

Die Schweizerische Post ist neu im Mühlehof eingemietet. Das bisherige Lokal an der Neudorfstrasse gehört der Post Immobilien AG. Es steht leer, seit Monaten. Da fragt man sich: wie rentiert das, Leerstand und Miete zahlen? Des Rätsels Lösung dürfte in den Unternehmensstrukturen liegen. Da hätte ein Betrieb dem anderen intern zuviel Miete zahlen müssen. Zügeln war günstiger. Klar: Wettbewerb belebt, macht den Geist wach. Guter Druck macht kreativ. Und so wird es an der Neudorfstrasse hoffentlich eine gute Nachfolge-Lösung geben.

Die Zeiten, als die Post noch die Post war, ist vorbei. Da gibt es Die Schweizerische Post AG, die Post Immobilien AG, die Postfinance AG, die Postauto Schweiz AG und viele weitere AG’s, die aus der Post hervorgegangen sind. Das mag unternehmerisch sinnvoll sein, weil man besser auf die Kunden eingehen will. Hofft man.

Im Gegensatz zu «Kunden» kann man «Bürger» nicht auf Unternehmen aufteilen. Die Post der Bürgerinnen und Bürger landet bei der Gemeinde. Sie bleibt ein Gemischtwarenladen. Ohne Kiosk in der Schalterhalle.

Energie

Gratulation zum SM-Titel! Das erste Badminton-Spiel war dramatisch. Zwei Mal legte der junge Gegner vor, dann siegte die Erfahrung. Conrad Hückstädt gewann für Uzwil das erste Herren-Einzel 24:22, wehrte mit Hechtsprung ab, stand auf, machte den Punkt. Der Grundstein für die Titelverteidigung war gelegt. Als Zuschauer fragt man sich: soviel Präzision bei diesem Puls, woher die Energie?

Woher die Energie? Diese Frage stellte am Dienstag auch der Energiestadt-Prüfer. Energiestadt ist Uzwil nicht einfach so. Das heisst Massnahmen umsetzen, ein langsamer Dauerlauf, beharrlich, mit und ohne Fukushima. Man hechtet nicht jedem Punkt nach. Uzwil wird zwar nicht Energiestadt-Schweizermeister, aber hoffentlich ein gutes Ergebnis erzielen.

Woher die Energie? Im Sport genügt staunen. Als Gesellschaft sollten wir’s wissen.

Gold

Ein Zettel steckt an der Windschutzscheibe. Schon wieder will jemand mein Auto kaufen, zum Schrottwert oder für den Export. Kurz darauf finde ich in der Post den nächsten miserabel gestalteten Zettel: «Ich kaufe Ihr Altgold zum Tageshöchstkurs!» Ok, der Goldkurs liegt immer noch auf dem Niveau von 2009 und höher als in den 30 Jahren davor. Nur: Gold habe ich keins und unseriöse Angebote qualifizieren sich selbst. Aber die Idee, wertvolle Materialien in ausgedienten Gegenständen sinnvoll zu verwerten, die verdient schon mehr Beachtung – «urban mining» heisst der Trend. Paradebeispiel: Aus einer Tonne ausgedienter Handys könne man 280 Gramm Gold gewinnen, die besten Goldminen liefern nur 5 Gramm Gold je Tonne Material. Aber nur, wenn man’s richtig entsorgt und aufbereitet. Ich behalte mein neues altes Auto. Wer wirft schon Gold weg.

Kur

Chefredaktor Werner De Schepper hat mir einen Kaktus geschenkt. Ich solle ihm trotz Stacheln einen Ehrenplatz auf dem Schreibtisch einräumen. Leider hat der Kaktus keine Stacheln. Man tut ihm unrecht. Er hat Dornen. Nun, muss man so präzis sein? Schliesslich können Medien das ganze Silvretta-Gebiet nach Österreich verlegen.

Thomas Stricker, Verwaltungsleiter und profunder Kaktus-Züchter, weihte mich in weitere Geheimnisse des Geschenks ein. Die botanische Bezeichnung sei echinocactus grusonii. Er werde umgangsprachlich «Schwiegermutter-Sessel» genannt. Leider sei das Exemplar überdüngt und stamme vermutlich aus einer holländischen Zucht. Der Kaktus ist jetzt zur Kur auf der Veranda vorm Gemeindehaus – nur der Kaktus.

PS: Rosen haben Stacheln, übrigens.