Gleich

Wie gut lief dieses Gespräch, dieser Info-Anlass? Wo hätte es Potenzial gegeben, hätte man’s besser machen können? Jüngst gab es einige Gelegenheiten zur Reflektion.

Von der Gemeinde, vom Gemeindepräsidenten wird regelmässig eine neutrale Position erwartet, beispielsweise bei baulichen Veränderungen in einem Quartier. Diese neutrale Position ist gar nicht so einfach, schliesslich haben Nachbarn, Eigentümer und die Natur berechtigte, teils widersprüchliche Erwartungen.

Verzichtet man bei allem Verständnis darauf, in einem Gespräch einem Argument zuzustimmen, wird das meist als Ablehnung verstanden. Dabei müsste zuhören ja auch wertungsfrei möglich sein. Geht aber meistens nicht, die Emotionen und die Rolle fordern etwas anderes.

Meine Recherche förderte bislang kein fundiertes Rezept für diese Herausforderung. Ich landete bei David Hume, John Stuart Mill und Franz Petermann. Am besten passte Johann Wolfgang Goethe: «Das Gleiche lässt uns in Ruhe, es ist der Widerspruch, der uns produktiv macht!»

Gleich

Gleichbehandlung, ein wichtiger Grundsatz im Staat. Anspruchsvoll, eigentlich kaum zu erreichen. Nur schon Eltern, die ihren Kindern «gleich viel» zu Weihnachten schenken wollen, kommen da an ihre Grenzen. Muss der Preis gleich hoch sein, die investierte Zeit oder die Bedeutung für den Empfänger, die Empfängerin?

Auch das Bemühen um Gleichbehandlung hat einen Wert, weil es so schwer fällt, ist in meinen Augen noch wichtiger als das Ergebnis. Aufgefallen ist mir das, als K. M. in einem Gespräch beiläufig meinte: « Jeder will etwas Spezielles sein, verlangt aber Gleichbehandlung!»

Ich wünsche schöne Festtage, seien sie ungleichsam gelassen!

Tipp

Wem soll man seine guten Ideen, seine Geheim-Tipps verraten? Gerade im Zeitalter der digitalen Kommunikation scheint eine gewisse Vorsicht angezeigt: Ausflugsziele, die man lange Jahre für sich allein hatte und gerade deshalb schätzte, überlaufen. Versteckte Parkplätze sind plötzlich dauerbelegt und der geliebte Wein ist ausverkauft.  

Alles halb so schlimm, wird mir im Büro beschieden. Erstens seien viele Leute zu bequem zum kopieren und zweitens gingen die meisten Tipps vergessen. Genau: Ich brauch noch eine Geschenksidee!

König

Die Extrameile gehen, so verlangt es die heutige Dienstleistungsgesellschaft. Sprich, noch etwas mehr tun, noch aufmerksamer sein, noch besser abschätzen, was der Andere wollen könnte. Wünsche von den Augen ablesen.

Das ist alles ok, wenn es im gesunden Rahmen bleibt. Meine Feststellung: wenn sich Menschen zu sehr ‹verbiegen› müssen, um Wunscherfüller zu spielen, wird das gnadenlos heimgezahlt. Dann nämlich, wenn man einmal dran ist, wenn man selbst in der ‹Besteller-Rolle› ist, in der mächtigen Position, dann wird gefordert, reklamiert, für selbstverständlich erklärt. Schliesslich hat man ja bezahlt. Und muss sich sonst auch für andere ‹verbiegen›.

Lösung: sich als Kunde nicht als König behandeln lassen, sondern als Kunden.

Konfektion

Ein Schnittmuster ist ein halbtransparentes Papier mit tausend Linien, Zahlen und Signaturen. Es erinnert mich an meine Grossmutter, Damen-Schneiderin. Sie übertrug das gewünschte Muster auf den Stoff. Da war von Zuschlag die Rede, vom Lauf, vom Verschluss, von Verlängern und Kürzen. Und dann wurde zugeschnitten, am Körper abgesteckt, massgeschneidert eben.

Nicht alles kann massgeschneidert werden. Ein ÖV-Fahrplan sieht zwar auch aus wie ein Schnittmuster. Er hat ebenso viele Linien, Signaturen und Zahlen. Es gibt Kreuzungen, Übergänge und Anschlüsse. Zum Lesen braucht es Ausdauer und Übung. Der ÖV-Fahrplan ist jedoch nicht für das Bedürfnis des Einzelnen, sondern für viele Menschen.

Schnittmuster oder öV-Fahrplan, Konfektion oder Stangenware.

Selbst

Ein Entscheid ist in erster Linie ein Verzicht, ein Ausschluss: In dem man sich für eine Sache, für eine Person, für eine Gruppe, für eine Partei entscheidet, schliesst man anderes aus.

Selbst entscheiden, bestimmen? Das möchte jeder. Wer aber mit anderen Menschen in einer Beziehung steht, erlebt seine Grenzen. Und dann gibt es auch noch Institutionen, die ihre Aufgaben haben und Grenzen setzen. Das ist manchmal schmerzhaft, oft jedoch nötig.

Am Montag ist Bürgerversammlung, als Urzelle der Demokratie ein Element der Staatsorganisation. Als Stimmbürgerin, Stimmbürger sind Sie Mitglied dieser Institution. Sie können zwar nicht selbstbestimmen, aber mitentscheiden. Ich freue mich auf ein volles Haus am Montag Abend, 20 Uhr.

Erschreckt

Nur knapp lugt die Nasenspitze unseres Gastes über die Tischplatte des grossen Stehtischs. Es ist Zukunftstag und Ino begleitet seinen Vater. Er ist drum auch an der Wochenbesprechung des Bereichs Bau dabei. In dichtem Takt werden da Geschäfte besprochen, Bewilligungsverfahren koordiniert, von privaten Bauvorhaben zur Strassenbeleuchtung über die Kanalisation bis zu Trottoirs, Abfallentsorgung und Strassenbauten. Das dauert, es ist aktuell viel los in Uzwil. Im Flüsterton erklärt der Vater seinem Sohn jeweils worum es da geht.

Nach rund 90 Minuten im Stehen sind die Geschäfte und der junge Mann „durch“. Verständlicherweise ist ihm etwas langweilig geworden.

Und jetzt Kaffeepause, auch nicht soo spannend. Als ich ihm erkläre, dass während unserer Sitzung bestimmt weitere Arbeit in Form von Mails und Post bei Papa eingegangen sei, die heute auch noch erledigt werden müsse und es drum manchmal später werde, zupft er Vater erschreckt am Ärmel: „Chumm Papi, mer gönd go schaffe!“

PS: Der zweite Teil des Zukunftstags war spannender und sie kamen um 17:30 Uhr nach Hause.

Format

Ein leeres Blatt ist der Anbeginn von Kreativität. Diesem Satz mögen Sie zustimmen – oder nicht. Selbst wenn Sie ihm nicht zustimmen, werden Sie den Freiraum, den ein weisses Blatt schafft, beseitigen müssen: Zerknüllen, ins Altpapier damit, als Anzündhilfe brauchen, was auch immer. Selten kann ein leeres Blatt einfach längere Zeit liegen bleiben. Nichts ist schwierig auszuhalten.

Im neusten Uzwiler Geschäftsbericht treffen Sie auf eine Vielzahl leerer Seiten. Nicht aus Provokation. Sondern weil die Welt im Querformat einfach besser aussieht. Für einmal also Quer- statt Hochformat. Wenn Sie die leere Seite aufklappen, werden Sie feststellen, dass überwältigende Schönheit diesen Freiraum braucht. Und weshalb der Uzwiler Stefan Forster zu den weltbesten Natur- und Landschaftsfotografen gehört.

Wer Format hat, kann das Format wechseln.

Samstag

Standard-Thema der herbstlichen Gemeinde-Kommunikation: „Bitte Hecken zurückschneiden!“
Furchtbar bünzlig dieses Thema, nicht? Erstens wüsste jeder Heckenbesitzer, jede Heckenbesitzerin mindestens der Spur nach, was sich gehört. Zweitens ist niemand perfekt, hatte vielleicht einen guten Grund. Und drittens ist jede und jeder flexibel, kann einen Schritt zur Seite machen oder vorsichtiger fahren.
Das Hecken-Thema zeigt: wenn sich zu viele Leute nicht an Spielregeln halten, wird es für den Staat schwierig. Entweder muss man die Spielregeln anpassen oder sie gnadenlos durchsetzen, dem Werkhof einen Mähbalken mit Greifarm kaufen. Beides passt nicht so richtig. Allerdings gefällt mir auch nicht, wenn die Leute gegenseitig Polizist spielen und mit der Hecke den Frieden aus dem Quartier schneiden. Drum geht der Werkhof den schwierigsten aller Wege, den Mittelweg.

Sie müssen nicht alles gut finden, was die Gemeinde publiziert. „Bitte Hecken zurückschneiden“ wäre bei mir auf der Streichliste, hätte ich eine bessere Idee. Doch, eine habe ich: am Samstag in den Garten!

Grillen

Das deutsche Bundesland Thüringen will seine digitale Kommunikation mit Bürger und Wirtschaft optimieren, Electronic Government. Bei einem Arbeitsbesuch in der Schweiz interessierte die Deutschen das Beispiel des Kantons St.Gallen. Wie das, sind wir so fortschrittlich?
Ja! Auf 2019 tritt ein neues Gesetz in Kraft, das den Kanton und die St.Galler Gemeinden international vorbildlich macht. Kein anderer Staat mit einer halbwegs vergleichbaren Rechtsform hat es bisher geschafft, seine Strukturen rechtlich und organisatorisch auf eine Zusammenarbeit über die Staatsebenen auszurichten. Denn oft sind Kanton und Gemeinden nicht gerade «befreundet», jeder macht sein Ding. So auch in Thüringen, wie Minister Georg Maier berichtete. Die Regierung lade jedes Jahr seine Gemeinden zum Austausch ein. Dort gehe es hoch zu und her. Da würden Gemeindepräsidenten mit dem Strick um den Hals oder im Piratenkostüm aufs Podium treten. Da springe auch mal einer in ein mitgebrachtes Schwimmbad um seinen Ärger auszudrücken. «Minister-Grillen» heisse der Anlass in Thüringen. Tja, wir grillen auch, Würste. Fleisch wird grilliert.